Autostopp
Bild/Illu/Video: Mariann Hasler

Autostopp

In der Zeit vor meiner Autofahrprüfung war auch ich ab und zu per Anhalter unterwegs, aber nie alleine. Dazu fehlte mir der Mut, das Risiko war mir durchaus bewusst. Einmal, es war ein warmer Sommerabend (oder Nacht), nahmen uns Typen mit einem Jeep ohne Verdeck und Sicherheitsgurten mit. Wie war ich erleichtert, als wir wieder aussteigen konnten.


Das ist lange her. Heute bin ich es, die ab und zu jemanden mitnimmt. Häufig kommt das nicht vor und nur wenn ich alleine tagsüber unterwegs bin.


Letzte Woche tuckerte ich über die Dörfer nach Hause. Da stand am Strassenrand eine Stöpplerin. Ich zögerte einen Moment, bremste und hielt an.

Schnell räumte ich den Beifahrersitz leer. Jacke, Mütze, Tasche, Hundeleine schmiss ich nach hinten auf den Rücksitz. Die rothaarige Frau, mit Brille und Pferdeschwanz, jünger als ich, Jeans, Winterjacke und dickem Schal, öffnete die Tür und setzte sich neben mich. Ich startete das Auto und fuhr weiter. Im Gespräch erfuhr ich, dass sie von Entlebuch bis hier hin getrampt war. Ihr Ziel sei Sennwald, weil sie von dort am nächsten Tag eine Mitfahrgelegenheit nach Deutschland hätte. Sie müsse zum Zahnarzt. Ihr Deutsch war ziemlich gut, trotzdem verstand ich nicht alles und musste nachfragen. Woher sie kommt, hätte ich aber nicht erraten, von Australien. Ich bin überrascht, warum kommt jemand von Down Under in die Schweiz. Zu heiss sagte sie, ihre Haut verträgt die Sonne schlecht.

 
Leider hätte sie hier noch keine Arbeitsbewilligung erhalten. Mit Englisch-Nachhilfeunterricht schlägt sie sich durch. In unserer Gegend kennt sie sich ein bisschen aus. In Oberriet wohnte sie auch schon. Als wir durch Buchs fuhren, fragte sie mich nach den Gefängnissen in unserer Region. Ich stutzte einen Moment. Danach hat mich also noch nie jemand gefragt.  Sollte ich mir langsam Gedanken über meine Mitfahrerin machen? War der Entscheid, diese Frau mitzunehmen, ein Falscher? Unmittelbar machte sich meine Fantasie bemerkbar.

 
Obwohl es die Kolumne spannender gemacht hätte, bin ich froh, dass mich mein Bauchgefühl nicht getäuscht hat. Es ist nichts Spektakuläres passiert. Als wir am Ziel ankamen, bedankte sie sich und gab mir ihre Telefonnummer. Sie würde sich gerne revanchieren, falls jemand aus meiner Familie Nachhilfe in Englisch braucht.

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