Wie war das mit dem Korn?
Corina Bernhard empfängt mich auf dem elterlichen Betrieb, dem Riedhof in Zizers. Für sie ist es eine Bereicherung und ein Privileg, draussen arbeiten zu dürfen mit den Pflanzen und den Tieren. Sie hilft täglich mit, unsere Nahrungsmittel zu produzieren und trägt somit direkt zu unserer Selbstversorgung bei. Auf dem Betrieb werden Mutterkühe gehalten, werden Mais, Kartoffeln, Eiweisserbsen, Brotgetreide und Braugerste angebaut. Für Corina Bernhard ist es sehr wichtig, dass die Konsumentinnen und Konsumenten wissen, woher unsere hochwertigen Nahrungsmittel kommen.
Getreide ist nicht gleich Getreide
Im Churer Rheintal werden Dinkel und Urdinkel, Roggen, Hafer und Winterweizen angebaut. Für die Tiere werden Futterweizen, Wintergerste und Triticale gezüchtet. Die Getreidebranche in der Schweiz schafft in den vor- und nachgelagerten Sektoren dadurch rund 40'000 Arbeitsplätze und dies ohne dieGetreideproduzenten in der Landwirtschaft. Auf den Landwirtschaftsbetrieben im Talgebiet werden Winterweizensorten angebaut. Das heisst, der Weizen wird im Oktober ausgesät und überwintert als kleine Pflanze. Im Frühling beginnt der Weizen zu «bestocken». Das bedeutet, es entstehen mehrere Triebe aus dem gesäten Korn. Im Frühjahr bekommt der Weizen auf dem Riedhof eine Unkrautregulierung: Mit einem Striegel wird ein- bis zweimal über das Weizenfeld gefahren, um die Unkräuter zu bekämpfen.
Getreide ist Qulturpflanze
Jede Pflanze brauche Nährstoffe, so auch der Weizen, sagt Corina. «Mit hofeigenem Dünger (Gülle) wird der Weizen gedüngt.» Dies sei gar nicht einmal so einfach. «Für das Ausbringen der Gülle darf es nicht zu warm sein und der Himmel sollte bedeckt sein.» Die Ernte von Weizen erfolge Mitte Juli bei trockenem Wetter, denn seien die geernteten Körner zu feucht, so muss der Weizen getrocknet werden. «Es gibt gewisse Qualitätsanforderungen, welche der Brotweizen erfüllen muss, wie zum Beispiel der Proteingehalt. Erfüllt der Weizen diese Anforderungen nicht, so wird er zu Tierfutter deklassiert.» Getreide generell sei als Qulturpflanze viel anspruchsloser als zum Beispiel Gemüse in Bezug auf den Boden oder die Wasserversorgung. Getreide wachse dafür auch auf schweren Böden, wo kein Gemüse mehr spriesse.
Brot bedeutet Leben
Getreide benötigt laut Corina Bernhard weniger Wasser als andere Kulturen und hat zusätzlich noch einen anderen Vorteil. Laut Fachliteratur nimmt Weizen nämlich pro Hektare ca. 9 Tonnen CO2 aus der Luft auf und gibt ca. 6 t Sauerstoff ab. Gerste nimmt rund 8 t CO2 aus der Luft auf und gibt 5 t Sauerstoff ab. Mais kann 14 Tonnen Co2 aufnehmen und gibt 9 Tonnen Sauerstoff ab. Im Vergleich dazu bindet Wald nur gerade rund 6 Tonnen CO2 und gibt 4 Tonnen Sauerstoff ab pro Hektare. Brotweizen hat für Corina Bernhard auch einen ideellen Wert. «Brot bedeutet Leben. Es berührt einem, wenn man mit den Händen in die geernteten Körner eintauchen darf und die Weizenkörner durch die Hände rieseln.»
Fruchtfolge um Krankheiten zu verhindern
Getreide ist ein wichtiger Partner in der Fruchtfolge. Eine geregelte Fruchtfolge ist heutzutage auf jedem Betrieb, welcher mehr als drei Hektaren Ackerfläche aufweist, Vorschrift. Das, was früher die «Drei-Zelgen-Wirtschaft» war, ist heute die Fruchtfolge. Das heisst, dass nicht jedes Jahr auf der gleichen Parzelle die gleiche Kultur angebaut wird. Es gibt sogenannte Fruchtfolgeregeln, die besagen, dass zum Beispiel Eiweisserbsen, aus denen beispielsweise Falafel entsteht oder auch Ackerbohnen nur alle sechs Jahre auf der gleichen Parzelle angebaut werden dürfen. Solche Regeln gibt es laut Corina Bernhard für jede Kultur. «Deshalb sind unsere Betriebe im Talgebiet so vielseitig und bauen mehrere Kulturen. Mit der Fruchtfolge verhindert man, dass gewisse Krankheiten vom Boden auf die Kulturpflanzen übertragen werden. Es ist eine sehr effektive Methode um Pflanzenschutzmittel einzusparen. Dies wird schon seit Jahrzehnten praktiziert.» Ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolge seien auch die Kunstwiesen. «Deshalb werden nach der Getreideernte bei uns im Talgebiet dutzende von Hektaren davon angesät. Im Biolandbau sind sogar 20 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche pro Jahr vorgeschrieben. Sie liefern nicht nur proteinreiches, wertvolles Futter für die Rinder, sondern erlauben dem Boden eine Erholungsphase. Die Kunstwiesen helfen, zusammen mit Gründüngungen und Hofdüngern, mit beim Humusaufbau. Dieser wiederum ist wichtig als Kohlenstoffspeicher.» Jeder Betrieb in der Schweiz verfüge über einen Anteil von ökologischen Ausgleichsflächen von mindestens sieben Prozent. «Wir haben Betriebe im Talgebiet, welche mehr als 20 Prozent solcher Flächen bewirtschaften. Das können Hochstammobstbäume sein, so wie auf dem Riedhof, oder dann Buntbrachen, Hecken und Feldgehölze oder extensive Blumenwiesen. Diese dürfen im Talgebiet erst ab dem 15. Juni gemäht werden. Sie sind ein wichtiger Lebensraum für Insekten, Käfer und Schmetterlinge.» Corina Bernhard bemerkt richtig an, dass die Arbeit mit der Natur sehr anspruchsvoll ist. Es steckt viel mehr dahinter, als auf den ersten Blick ersichtlich ist. Die Vielseitigkeit ist Corina Bernhard sehr wichtig. Es ist eine tägliche Herausforderung, welche sie sehr schätzt.
Infos
Die Getreideflächen im Churer Rheintal (Fläsch bis Domat/Ems)
Wintergerste: 124.4 ha
Futterweizen: 28.05 ha
Winterweizen (menschl. Ernährung): 244.99 ha
Roggen: 3.1 ha
Dinkel: 27.52 ha
Mischel Brotgetreide (Getreide + Hülsenfrüchte): 7.83 ha
Getreideannahmen Getreidesammelstelle Landquart 2022 Fläsch – Bonaduz für die menschliche Ernährung:
Weizen: 900 Tonnen
Weizen Bio: 162 Tonnen
Urdinkel Bio/konv.: 35 Tonnen
Dinkel: 33 Tonnen
Dinkel Bio: 17.8 Tonnen
Speisehafer: 16.8 Tonnen
Braugerste Bio: 23.5 Tonnen