Reise nach Collodi
Bild/Illu/Video: Julia Kulewatz

Reise nach Collodi

Peter Reuter verspricht in seinem Vorwort zum Autor und den Reiseerzählungen: «Es ist die Liebe der Menschen und zu den Menschen – es ist dies der Wolfgang Allinger.» Die Jahre des vergangenen Italienlebens merkt man dem guten Beobachter an. Die Erzählungen sind feinsinnig miteinander verflochten. Sie überschreiten sich selbst über zunächst unscheinbar anmutende Details.


Zuerst ist es nur eine namenlose Figur, ein Mann mit Sohn ganz am Rande, Gespräche zur Rast, es ging um Wollhandkrabben. Erst später erlesen wir, dass die Wollhandkrabben vor allem «Panzerwesen» sind und dass Krieg nicht vergessen werden kann, nicht einmal in Italien. Dem voraus gehen eine «Blondgefärbte» und die «Akkurate», die erahnen lassen, «Was übrig bleibt»  ̶  Eine Unterhaltung wie ein Schlagabtausch. Der Gesprächsball fliegt von «Rechts» nach «Links» und landet schließlich in der Kunst: «Florenz war voller Menschen an diesem Abend, die Galerie in der Via Ricasoli für die Vernissage gerichtet.» Ich stehe vor weinenden Uhren, «Die übergroße Taschenuhr war schwarz wie die Nacht, mit dem Rand aus goldenen Tränen, die in den purpurnen Hintergrund flossen. Das Ziffernblatt bestand aus vielen Davids, zuchtperlenweiß, deren Original aus Marmor den Hof des Florenzer Rathauses schmückt.» Auch die Schöpferin der Uhren zerrinnt hinter einem Foto von sich, bereits zehn Jahre alt. «An jeder Tür war das Plakat von Sofia.» Das aber erfahren wir erst zwischen den Zeilen, zwischen den (Uhr--)Zeigern. Das unterkühlt geplante Stelldichein wird verschoben, wie man ein Fenster schliesst.


(Weiblicher) «Instinkt» gibt sich in diesem Buch von trügerisch bis stilsicher. Manchmal bleiben Träume von Italien wie Erinnerungen, zu teuer erkaufte Gemälde und schließlich der Sprung über die Brüstung, auf den ein «Ach, Italien!» folgt wie fliegen oder fallen.

Das stetig im Cabrio reisende, selbst fahrende «ICH» schliesst sich da nicht aus; Überfall und Jazz kommen zusammen wie Frauenbeine. In Collodi kommt niemand an. Was nach dem Raubüberfall zurückbleibt, sind Scham, ein Brief aus Italien und eine Pinocchiopuppe im Handschuhfach.


Die zehn Erzählungen werden von zwei verschiedenen Rottönen umfangen, unterbrochen, vermauert und ergänzt. Auf den ersten Blick scheint sich zu beißen, was dann gut zusammengeht. Die die Collodi-Reise begleitenden Drucke von Saskia Rühl entstanden als erster Kontakt mit diesem Medium während einer Kursfahrt im Süden Italiens aus dem Fenster eines fahrenden Busses heraus. Wolfgang Allinger wünscht ihr für ihre Bild- und Formsprache mehr Bewunderer. «Reise nach Collodi» ist 2010 im Verlag Vinscriptʼ erschienen.

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