«Regenwetter»
Neulich radelte ich mit dem Fahrrad von der Arbeit nach Hause. Etwa in der Hälfte des Weges find es an zu regnen. Zuerst regnete es nur leicht, dann in kurzer Zeit entwickelte sich der Regen in eine richtige Sintflut. Es prasselte derart aus den Wolken, dass ich durch meine Brillengläser nichts aber auch gar nichts mehr sehen konnte. Meine kurze, knielange Hose sowie mein T-Shirt hatten sich mit Wasser vollgesogen. Beides klebte mir am Körper.
Kurz: Es regnete stark und ich wurde nass. Doch es soll nicht heissen, ich möge den Regen nicht. Nein, nach solchen Regenduschen fühle ich mich oft weitaus frischer als nach mancher Dusche in frühen Morgenstunden. Da es an jenem Tag nicht fröstelte, konnte ich den Regen umso mehr geniessen. Es regnete bis spät in die Nacht hinein.
Nachdem ich das Velo in der Garage abgestellt hatte, schlüpfte ich durch die Haustüre und achtete sorgsam darauf nicht alles nasszumachen. Wie ein alter Mann ächzend befreite ich mich von der von Wasser triefenden Kleidung und nahm ein heisses Bad.
Danach ass ich zu Abend und begab mich schliesslich in meine Lesestube. Ich setzte mich in den Sessel, in welchem ich stets lange zu lesen pflegte. Seit ich mich von meiner Hexe getrennt hatte, lebte ich allein. Ich war wieder frei und konnte tun und lassen mit meiner Zeit wie es mir beliebte. Und so verbrachte ich meine Abende stets im Sessel lesend.
Früher drängte meine Frau mich laufend in Theater oder zu Abendessen mit ihren Freunden. Ich konnte diese Leute nicht ausstehen. Es waren allesamt Menschen, die in der Politik, in Banken oder bei Versicherungen arbeiteten. Das Vorurteil, diese Art von Menschen seien langweilig und oberflächlich bestätigte sich bei den Freunden meiner Frau. Nach zwei Jahren Ehe hatte ich es mit dieser Hexe nicht mehr ausgehalten und liess mich schliesslich von Ihr scheiden. Denn auch meine Frau gehörte dieser Gattung von Menschen an und war langweilig und oberflächlich. Nun ja, «war» – wahrscheinlich ist sie es immer noch. Die Scheidung kam mich teuer zu stehen, doch das war es allemal wert.
Als ich an jenem Abend gemütlich in meinem Sessel sass und Dickens Copperfield gerade zu Ende gelesen hatte, zog nebst dem Regen ein Gewitter auf. Es donnerte fürchterlich laut und die Blitze erhellten die dunkle Landschaft vor dem Fenster. In meinem Haus mich geborgen und sicher fühlend, schaute ich dem Geschehen entspannt zu. Schliesslich schlief ich ein und wachte er um zwei Uhr nachts wieder auf. Stöhnend mir den Nacken reibend setzte ich mich auf und begab mich in mein Schlafzimmer.
Ich zog mich aus und legte mich schlafen. Es war ein anstrengender Tag gewesen, dachte ich während ich langsam ins Reich der Träume geleitete.