Die Faszination des Spazierens
Beim Spazieren gibt es nach meiner Definition drei Phasen. Jeder Spaziergang beginnt damit, dass die Gedanken geordnet werden und darüber nachgedacht wird, über was eigentlich werden des ganzen Laufens nachgedacht werden soll. Während meiner letzten Spaziergänge hatte ich das so erlebt; kaum war ich aus dem Haus, so kamen mir unzählige Themen zu Kopfe, sodass ich eine Weile brauchte, bis sich mein Hirn auf einen Gedanken konzentriert hatte. Ich nenne dieses erste Stadium des Spazierens «Roulette». Sind die Einsätze getätigt, setzt der Croupier die Roulette-Scheibe in Bewegung und wirft die Kugel gegen die Drehrichtung in den Zylinder. Mit dem Verlassen des Hauses wird die Roulette-Scheibe in Bewegung gesetzt und die Kugel geworfen. In dieser Phase darf man nichts überstürzen, man muss seinem Gefühl folgen und darf sich nicht zwingen an etwas Bestimmtes zu denken oder nicht zu denken. Egal was man dem Hirn aufzuzwingen versucht, es wird immer das Gegenteil ausführen.
Irgendwann beruhigt sich das Hirn und fokussiert sich automatisch auf einen einzelnen Gedanken. Genau in diesem Moment startet die zweite Phase. Ich betitle dieses Stadium des Spaziergangs «intensive Denkphase». Manchmal mache ich mir während des Gehens Notizen in meinem Büchlein, um mich an Dinge zu erinnern, welche ich nach dem Spazieren erledigen oder nachsehen möchte.
An manchen Tagen denke ich an vergangenes. Beim Nachsinnen an einstiges ist es hilfreich seinen Geist nicht zu zwingen sich zu fokussieren, sondern ihm Raum zu geben und ihn schweifen zu lassen. Lässt man den Gedanken ihren freien Lauf, so entspannt man sich automatisch. Konzentriert man ihn jedoch permanent auf etwas, dann wird man nach einiger Zeit Kopfschmerzen bekommen.
Erwarten Sie nicht zu viel von Ihren Spaziergängen, es werden sich vermutlich kleine Probleme dadurch lösen lassen, doch Gott und das Universum werden Sie dadurch nicht verstehen werden.
Ich ertappe mich hin und wieder dabei auf Strecken mit weiter Sicht, vor allem auf den Feldwegen im Churer Rheintal, schnell den Fokus zu verlieren. Wenn ich jedoch auf einem Pfad im dichten Wald spaziere, bin ich besonders konzentriert. Daraus abgeleitet, lohnen sich weite offene Gegenden für die Zerstreuung und solche mit begrenzter Sicht für den Fokus.
Die dritte und letzte Phase beginnt beim ersten Gedanken an die bevorstehende Ankunft im vertrauten Zuhause. Ich nenne diese «Abschluss». Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre gemachten Gedanken nicht beiseiteschieben oder Vorsätze vergessen, bevor Sie zu Hause angelangt sind. Notieren Sie das wichtigste auf einem Stück Papier.
Danach können Sie sich wieder getrost dem Alltäglichen widmen. Ich zu meinem Teil liebe lange und ausgiebige Spaziergänge in den Bergen und auf den Feldern unseres Tales. Dabei fühle ich mich frei und ungebunden. Niemand ausser ich selbst hat Einfluss auf meine Gedanken, bis ich wieder zur Haustüre eintrete und mich den alltäglichen ganz uninteressanten Problemen widme.
Was soll’s? Es ist nun mal so.