Q&W: Die Liga der wertschätzenden Gentlemen
In meiner bisherigen Karriere habe ich schon vieles erlebt: Überforderte Redaktionsleiter, gescheiterte Journalisten, Missgunst, linke Spiele, falsche Versprechungen und Unternehmensqulturen, die mich entmutigt und demotiviert haben. Was ich leider sehr selten erlebt habe, ob jetzt im Detailhandel oder auch im Journalismus, ist Wertschätzung. In meiner heutigen Kolumne möchte ich euch meine Geschichte nachzeichnen und beschreiben, wie ich erst in einem berufsfernen Kleinunternehmen lernte, was bei einem Unternehmen wirklich zählt. Zudem hoffe ich insgeheim, dass viele weitere Firmen erkennen, dass das Personal ihr wichtigstes Gut ist und vielleicht sogar etwas mehr Sorge zu ihren Angestellten tragen.
Wie ich in meinem Buch «20 Träume bis 30» es schon ausführlich beschrieben habe, war ich mit meinem erlernten Beruf, dem Detailhandelsfachmann nach ein paar Jahren im Migros in eine Sackgasse geraten. Aus diesem Grund habe ich eine Umschulung gemacht zum Radioredaktor und startete kurz vor dem Abschluss bei Radio L in Triesen. Damals war ich naiv genug zu glauben, dass ich bei diesem Sender wirklich etwas bewegen könnte und sah grosszügig über die herrschenden Strukturen hinweg. Ich denke, ich würde wohl heute noch dort arbeiten, da ich das Radiomachen immer heiss geliebt habe, wenn man mich nicht aus Spargründen wegrationalisiert hätte. Ob es fair war, weiss ich nicht. Ich kann es auch nicht wirklich sagen, ob es Qultur heute in dieser Form geben würde, wenn ich nicht beim Radio die Kündigung erhalten hätte… Ich will hier nicht in alten Wunden bohren, sondern eine Geschichte erzählen, die mir den Glauben an das Gute und Hoffnung geschenkt hat.
Mein Tischnachbar beim Radio
An meinem ersten Tag bei Radio L lernte ich den Journalisten Wolfgang Frey kennen. Er sass mir vis-à-vis und erschuf immer wieder Radiobeiträge, die mir die Schuhe auszogen. Sein enormes Gespür für Geschichten und sein Fachwissen komplexe Sachverhalte einfach verständlich herunter zu brechen, haben mich immer extrem fasziniert. Wie ein Schwamm lauschte ich seinen Ausführungen in den Rauchpausen, die im Vergleich zu denen von Klaus Samay extrem sachlich und nie zynisch waren. Wir verstanden uns sehr gut und er erkannte früh, welches Potential ich beim Beiträge gestalten hatte. Gerne hätte ich noch viel von ihm gelernt beim Radio, doch der damalige Redaktionsleiter schaffte es, ihn täglich fertig zu machen, bis Wolfgang krank wurde und nicht mehr kam.
Treffen in Sargans
Es vergingen einige Monate und ich hatte irgendwie das Bedürfnis ihm zu schreiben. Da ich von ihm sehr viel gelernt hatte, machte ich mir auch um sein Wohlbefinden Sorgen und so kam es, dass wir uns nach der Arbeit spontan auf ein Bierchen in Sargans trafen. Kurz zuvor hatte ich erstmals mit dem Gedanken zu einem Onlinemagazin gespielt und da ich wusste, welch begabter Schreibender Wolfgang Frey eigentlich ist, dachte ich mir, ich frage ihn mal an, ob er hin und wieder einen Artikel für Qultur schreiben könnte. Damals arbeitete ich noch 80% bei Radio L, freiberuflich beim Liechtensteiner Vaterland und hatte aber immer noch relativ viel Freizeit übrig. Das wusste Wolfgang und machte mir, bevor ich ihn überhaupt fragen konnte ein Jobangebot bei seiner Firma Heiligkreuzer Seifen. Ich sagte zu und als dann zufälligerweise zwei Wochen später noch die Kündigung vom Radio kam, fand ich somit einen angenehmen Übergang.
Der Rüster Christian Imhof
Ich war bereits schon mal Rüster in meinem Leben. Als ich meine Ausbildung bei der RSS-Medienschule absolvierte, schuftete ich nebenbei bei der Fenaco in Landquart, um meine Kasse aufzubessern. Aus diesem Grund dachte ich mir, dass es wohl gar nicht so übel sein kann, neben den ganzen Texten für die Zeitungen, auch mal wieder was Handwerkliches zu arbeiten. Ich begann in Heiligkreuz und lernte schnell. Da ich eine «Wundernase» bin, interessierten mich natürlich auch die Prozesse im Hintergrund, wie das Administrative gehandhabt wird und weshalb der Kampf gegen Plastik einen verdammt langen Atem braucht. Schnell erhielt ich mehr Aufgaben und auch mehr Verantwortung im Betrieb. Das heisst, ich wurde in der Seifenmanufaktur innerhalb von einem halben Jahr schneller befördert, als bei der Migros in drei Jahren… Was mir jedoch wichtiger erscheint, ist der Umstand, dass ich nie ganz arbeitslos war. Ich habe so nie den Anschluss zu den Leuten verloren, kam regelmässig raus und auch während der Pandemie habe ich weiterhin mindestens 50 Prozent gearbeitet.
Der feine Unterschied
Sei es der lange Dankesbrief zu Weihnachten oder auch der wunderbare Betriebsausflug, von dem übrigens auch das Foto dieses Artikels stammt, es sind oft die kleinen, feinen Dinge, die mich unheimlich motivieren. Ich fühle mich durch das gelebte Betriebsklima geschätzt und wertvoll. Bei Heiligkreuzer Seifen ist der Mitarbeiter, anders als bei grossen Betrieben, nicht bloss ein kleines und auswechselbares Rädchen, sondern ein wichtiger Teil des Ganzen. Wolfgang betont dies immer wieder und spielt stets mit offenen Karten. Bei diesem kleinen Unternehmen sind die Entscheidungswege kurz und alle drei Angestellten wissen, woran sie sind.
Diese gelebte Wertschätzung, welche ich bei dieser Firma immer wieder spüre, habe ich mir zum Vorbild genommen und versuche sie täglich bei Qultur umzusetzen. Ich will meine Mitarbeitenden begeistern, mit gutem Beispiel voran gehen, sowie sie motivieren und weiterbringen. Aus diesem Grund ist die heutige Kolumne auch erst so spät online. Am Nachmittag habe ich mit viel Freude unseren Autogrammexperten Pippia gecoacht. Denn es gibt nämlich noch eine weitere Philosophie neben der Wertschätzung, die ich in meinem Unternehmen pflege, nämlich die «Each one teach one»-Qultur! Bis bald und schaut gut zu eurem Team!