Monolog mit einem Fremden
Wir hätten doch wenigstens erst ein Bier zusammen trinken können, bevor er in unsere Intimzone eindringt, als die man ein Bad wohl unbestritten bezeichnen kann.
Doch ich will nicht unhöflich sein, bleibe freundlich, soweit es um diese Zeit möglich ist. Ich erkundige mich wie er geschlafen hat, warum er schon so früh auf den Beinen ist und ob er auch einen Kaffee will. Gipfeli hätte ich jedoch nicht. Keine Antwort. Auch sonst keine Reaktion. Er schaut mich aus schlaftrunkenen Augen an und aus meinem Dialog scheint ein Monolog zu werden, ein Monolog mit einem Fremden.
Irgendwie ist aber auch das kein wirkliches Problem, denn morgens bin ich ohnehin kaum für Antworten empfänglich. Also beschliesse ich das Bad wieder zu verlassen und einen Kaffee zu trinken, bevor ich dusche. Der Gedanke, dass sich ein Fremder derweil in unserem Bad aufhält, lässt bei mir nämlich ein ungutes Gefühl aufkommen.
Ab in die Küche. Bald gibt die Kaffeemaschine lautstark bekannt, dass das heissersehnte Heissgetränk fertig ist. Zwei Löffel Zucker dazu, auf Milch verzichte ich, guter Kaffee braucht keine Milch. Dem Fremden gehe ich weiter aus dem Weg, trinke den Kaffee im Wohnzimmer. Innerlich triumphiere ich, denn so bekommt er keinen Kaffee ab, aber der Geruch geht durch die ganze Wohnung. Er muss es einfach realisieren, dass er etwas verpasst. Er hat ihn aber auch nicht verdient und ein wenig Egoismus schadet nicht. Danach bin ich wacher und nehme erneut einen Anlauf.
Badezimmerbesuch zum Zweiten. Wieder schaue ich in den Spiegel und siehe da – der Fremde ist weg. Er hat die Botschaft offenbar verstanden. Ich erkenne mein Spiegelbild. Ich habe gewonnen! Es ist ein sehr früher Sieg zu einer frühen Zeit und das gibt mir ein gutes Gefühl. So kann der Tag weitergehen. Gleichzeitig ziehe ich daraus Konsequenzen: Nie mehr stehe ich so früh auf! Dann kommen wir uns auch im Bad nicht mehr in die Quere – der Fremde und ich.