Michael Sele: «Die Wurzeln sind mir wichtig.»
Seit bald 15 Jahren gibt es die Band The Beauty of Gemina. Seit dem Anfang dabei sei aber nur sein Schlagzeuger Mac Vinzens und er, wie Michael Sele zur Langlebigkeit seiner Formation anfügt. «Allen anderen (und das waren nicht wenige) wurde es halt dann doch irgendwann zu viel des Guten. Bei Mac und mir war es aber nie eine Frage, da wir gar keine andere Wahl haben und The Beauty of Gemina unser Herzblut, die Seele und Bestimmung ist. Der zunehmende Erfolg, die grossartigen Fans, die mittlerweile in über 70 Ländern zu finden sind und die Tatsache, musikalisch und künstlerisch alle erdenklichen Freiheiten zu besitzen, haben natürlich sehr geholfen.»
Ein schneller Start
Früh hat sich die Band auch ausserhalb der Schweiz und Liechtenstein einen Namen gemacht. Frontmann Sele erinnert sich noch genau an den Moment, als es so richtig losging. «Am Anfang ging schon einiges ziemlich schnell. Ich erinnere mich aber noch gut an unser zweites oder drittes Konzert, welches wir bereits im Hallenstadion in Zürich geben sollten. Wir konnten damals für die legendären Smashing Pumpkins eröffnen und plötzlich stand man vor Billy Corgan. Wir waren da ziemlich unbedarft und zum Glück hatten wir gar nicht zu viel überlegt, sonst hätten wir wohl alle in die Hosen gemacht. Dass aber TBOG auch international funktionieren würden, war natürlich schon durch die englische Sprache zumindest von Anfang an ein Thema.»
Authentizität als Erfolgsrezept
Doch trotz dem enormen Zuspruch blieb Michael Sele stets mit beiden Füssen auf dem Boden und weiss, wie der Erfolg seiner Band einzuordnen ist. «Man muss das immer auch in der richtigen Relation sehen, es hat viele Jahre gedauert und auch heute würde ich nicht von einem internationalen Durchbruch sprechen, da wir ja alles andere als ein Mainstream Thema sind. In der Szene sind wir natürlich weltweit ein Begriff, da haben wir uns einen beachtlichen Namen erarbeiten können, obwohl wir dort musikalisch fast etwas zu «progressiv» sind und auch nicht Recht in ein Schema zu pressen sind. Gerade auch auf den letzten beiden Alben hat sich meine Songwriting sicherlich auch durch die Reduktion musikalisch immer mehr in eine Richtung Indie Rock oder auch Singer/Songwriter entwickelt.» Doch ein Erfolgsrezept habe er schon. «Ich werde das oft gefragt und ich antworte dazu gerne folgendes, das Wichtigste ist, möglichst grosse Authentizität. Das klingt super einfach, ist aber das Schwierigste von allem. Musik ist ein so wertvolles Gut, das sollte man immer auch mit einer gewissen Art von Hingabe und auch Demut machen. Und ja, drum sollte man eigentlich nur mit Leuten auf diesen Weg gehen, welche die gleiche Leidenschaft und die gleiche Vision teilen, diese zu finden ist aber leider fast genauso schwierig wie der erste Punkt!»
Die musikalische Sprache gefunden
Es sei ihm extrem wichtig, dass er über die Jahre hinweg seine eigene musikalische Sprache und den damit verbundenen Ausdruck gefunden habe. Es gebe heute eine eigenständige und unverkennbare Klangwelt von ihm: «Ich habe mir auch aus diesem Grund viele Jahre Zeit gelassen, bis ich mich an einen ersten Coversong gewagt habe. Heute könnte ich eigentlich jeden Song der Welt spielen und es würde automatisch zu einem «Gemina»-Song werden, das ist schon auch ein gutes Gefühl.» Doch alleine mit dieser musikalischen Sprache entstehen keine neuen Lieder. «Es sind die Menschen, die mich inspirieren und auch faszinieren, mit all ihren Visionen, Hoffnungen, aber auch Ängsten und Nöten. Da ist einerseits unsere Angst vor dem Tod aber auch die Angst vor dem Leben und in dieser Bandbreite gibt es noch so viel zu beobachten, zu entdecken und auch darüber zu schreiben. Gerade auch über das Thema «Liebe» konnte ich selten so intensiv und auch leidenschaftlich schreiben wie auf diesem Album.» Michael Sele schreibt seine Lieder in der Regel alleine. Dieser Prozess dauere Wochen, zum Teil sogar Monate. In dieser Zeit habe er kaum Kontakt zu seinen Mitmusikern. Wenn es dann darum gehe, die Songs final im Studio aufzunehmen, werde der Austausch intensiver. Bei der Produktion zum neuen, inzwischen neunten Album der Band war aber einiges anders. ««Neben Mac und Andi war mein langjähriger Freund, der Multi-Instrumentalist Philipp Küng, als Co-Produzent, Bassist und Ideengeber mit an Bord. Zusammen haben wir den Arrangements den Feinschliff verpasst. Es war eine grossartige Zusammenarbeit. Er war übrigens schon auf früheren Alben als Bassist im Studio mit dabei und wir kennen uns seit bald 30 Jahren! In den 90ern hatten wir schon gemeinsame Sachen gemacht, toll dass es diesmal, auch ein bisschen dank Corona und den möglichen Zeitfenstern zu so einen intensiven Austausch gekommen ist.»
Ausgezeichnet und gerne zu Hause
Der Liechtensteiner, der in Wartau aufgewachsen ist, lebt gerne in der Region. «Meine Wurzeln sind mir sehr wichtig. Ich war eigentlich nie der grosse Reisevogel und war schon weit in den Zwanzigern, als ich das erste Mal Grossstadtluft in London schnuppern konnte.» Umso erstaunlicher sei es, dass er mit der Band inzwischen in mehr als 20 Ländern der Welt auf der Bühne gestanden habe. «Ich sah das immer auch als riesiges Privileg und eine unbezahlbare Erfahrung. Gerade die Konzerte in Südamerika und Mexiko werden immer in Erinnerung bleiben. Aber all die vielen Reisen waren auch eine Herausforderung und meine Verwurzelung mit der Region ist im Gegenzug sicher auch ausgeprägt. Gerade die Gemeinde Wartau wo ich aufgewachsen bin, meine gesamte Kindheit und Jugend verbracht habe, sind absolut auch Identität und Heimat. Immerhin habe ich es aber dann doch noch bis nach Sargans geschafft. Hier wohne ich seit bald 20 Jahren mit meiner Familie.» Im Jahr 2019 erhielt Sele von der Gemeinde Sargans den «Gonzen»-Kulturpreis verliehen. «Das war eine sehr grosse Freude, da es ein sehr wertiger, für mich auch nachhaltiger Preis ist, der sich vor allem nicht an fiktiven Verkaufszahlen, sondern an Inhalten und Werten orientiert. Es war auch eine sehr stimmungsvolle Feier und schon auch ein tolles Gefühl, wenn man einer imposanten Laudatio lauschen darf. Es war für mich auch schön, dass mein Schaffen gerade auch dort wo ich lebe wahrgenommen und auch anerkannt wird, das war ich mir bis zu diesem Zeitpunkt gar nicht so bewusst.»
Das schwierige Touren während Corona
Das neue Album «Skelton Dreams» klinge wie «eine Mischung aus hypnotischem Blues, einer Brise erdigem Folk, einer grosszügigen Portion von sphärischem Gitarren-Wave, ein paar Tropfen Melancholie und natürlich meiner Stimme, die zum Markenzeichen geworden ist. Alles in allem ist es wohl das Album, welches ich schon immer schreiben wollte und ich fühle mich endlich angekommen!», sagt Sele über den Stellenwert seines neusten Werks. Die Tournee zum neuen Album sei lange auf wackligen Beinen gestanden, doch jetzt gehe es glücklicherweise trotz Corona wieder weiter. «Da blieb kaum ein Stein auf dem anderen. Zuerst fielen alle Festivals (und da waren ein paar ganz grosse dabei) ins Wasser, nun mussten wir auch noch die gesamte Deutschland Tour ins 2021 verlegen. Das ist wirtschaftlich aber auch emotional schon ein kleineres Desaster. Der Vorverkauf war super angelaufen, das Timing der neuen CD, Titelstorys in Magazinen, alles hatte einfach perfekt gepasst und da waren so viele Stunden Arbeit darin, dann einfach alles aus und vorbei.» Doch jetzt sei alles doch noch gut geworden, zumindest vorerst. «Zum Glück konnte die Agentur für alle Konzerte wenigstens neue Daten fixen, doch diese sind erst im September 2021 und wer weiss, was bis dahin nicht noch alles passieren wird. Zum Glück bleiben noch vier letzte Konzerte in der Schweiz, am 17.10. das Heimspiel im Alten Kino in Mels.» Dort lohne es sich übrigens, sein Ticket schon bald zu reservieren, da es nur eine limitierte Anzahl Plätze geben werde und diese wohl in Kürze ausverkauft sein werden.