Kathy Shtraus-Valär: «Kunst ist kosmopolitisch»
Bild/Illu/Video: Christian Imhof

Kathy Shtraus-Valär: «Kunst ist kosmopolitisch»

Nostalgische Gefühle weckt das Atelier direkt beim Bahnhof Jenaz wohl bei vielen Besucher:innen aus dem Tal. Denn da wo Kathy Shtraus-Valär und ihr Mann Michael Fridmann heute eindrückliche Kunstwerke erschaffen, war vor vielen Jahren die Post beheimatet. Auch wenn an diese Zeit nur noch der grosse Tresen erinnert, ein Treffpunkt für das Dorf ist der Raum geblieben, denn Shtraus-Valär lebt eine Kultur der offenen Tür.

Die ganze Welt ist eins
Die Lebensgeschichte der heute 63-Jährigen ist eine bewegte, denn als sie auf die Welt kam, gehörte ihr Land noch zur Sowjetunion. Doch auch wenn man oft denkt, dass es Kunstschaffende in diesen kommunistischen Strukturen nicht immer leicht hatten, sagt Kathy, dass in ihrer Kindheit und Jugend glücklicherweise schon «weichere» Zeiten angebrochen waren und Kunst, wenn sie dann nicht allzu systemkritisch war, durchaus Platz im Alltag hatte. «Es gab damals ein ‘Doppeldenken’ und ich hatte das Glück, Kunst studieren zu dürfen. Damals, als alles noch nicht so digitalisiert war, hatte es viele Kunstschaffende gebraucht und so war ich für lange Zeit in einer Keramikfabrik als Designerin tätig. So konnte ich Grafik, Malerei und 3D-Elemente optimal miteinander verbinden.» Natürlich habe sie auch schon damals in ihrer Freizeit gemalt, wobei moderne Sachen kaum ausgestellt wurden. Doch die Zeit der Wohnungsausstellungen und der Kunst im Versteckten neigte sich langsam dem Ende zu. «Durch Gorbatschow kam dann ein frischer Wind, und ich erinnere mich noch heute gerne zurück an diese Zeit, denn wir waren jung und überglücklich, über den Umstand, in welche Richtung sich die Welt entwickelte.» Die UdSSR ging 1991 in die Brüche und neun Jahre später lernte die Künstlerin an einer Ausstellung in Budapest, den Jenazer Jakob «Köbali» Valär kennen und lieben. 2002 heirateten die beiden und bereits 2005 schloss sich Kathy Shtraus-Valär dem lokalen Kunstkollektiv Präkuscha an. Auf die Frage, wo sie sich zuhause fühle, sagt die Künstlerin, dass ihr Herz für vieles schlage. «Ich sehe die ganze Welt als eins. Kultur ist auch eine Heimat, und ich fühle mich verbunden mit vielen Dingen. Kunst ist kosmopolitisch und darum finde ich es schade, dass immer wieder um Länder und Grenzen gekämpft wird.» Die Künstlerin weiss definitiv wovon sie spricht, was eine Anekdote von ihrer Mutter zeigt. Diese habe während ihres Lebens in der Tschechischen Republik, Ungarn, der Sowjetunion und in der Ukraine gelebt, notabene ohne ein einziges Mal umzuziehen.

Direkthilfe in der Ukraine
Mit ihrer Kunst zügelte Kathy Shtraus-Valär vor gut 15 Jahren vom Larein Sport-Gebäude in die Immobilie, wo jahrzehntelang die Post des Dorfes lag. «Eines Tages kam Köbi zu mir und sagte, dass er die Post gekauft habe. Ich habe damals nicht wirklich verstanden, wieso er das gemacht hatte, doch inzwischen verstehe ich, dass er der Zeit mit seinen Ideen oft weit voraus war.» Kathy Shtraus-Valär wird immer ein wenig melancholisch, wenn sie über die vor zehn Jahren verstorbene Liebe ihres Lebens spricht. Auch wenn sie häufig aufwändige Porträts von Menschen malt, eins von ihrem grossherzigen «Köbi» werde es wohl nie geben, da sie ihn und seine Art auch heute noch sehr vermisse. Im alten Postgebäude findet nun ab Mitte Dezember diese aussergewöhnliche Ausstellung statt. Seit dem Ausbruch des Krieges in der Ukraine im Februar 2022 sei Shtraus-Valär immer wieder von ihren Präkuscha-Kolleginnen und Kollegen angesprochen worden, wie sie in der Ukraine helfen könnten. Sie verspüre eine grosse Dankbarkeit, wenn sie an all die lieben Menschen denke, die dem kriegsgebeutelten Land zu helfen versuchen. «Dank der grossen Solidarität aus der ganzen Welt ist die Ukraine noch auf den Beinen, trotz dem grossen Verbrechen gegen die Vernunft und die Demokratie.» Und doch reiche die Unterstützung nicht für alle. «Vor allem Institutionen wie Waisenhäuser oder Altersheime kommen zu kurz. Aus diesem Grund haben wir uns für das ‘Diva Maria’ in Svvalyava entschieden.» Sie stehe in Kontakt mit der Heimleitung des staatlichen Reha- und Palliativzentrums, welches Waisenkinder beherberge, die oft auch sehr krank seien. «Das grösste Problem vor Ort ist, dass die Kinder in einem ungesunden Gebäude leben müssen, welches verkeimt und verschimmelt ist.»

Prättigauer Kunst verändert die Welt
Es sei eine echte humanitäre Adresse, bei welcher wirklich die am stärksten Benachteiligten zum Zug kämen. Kathy Shtraus-Valär ist sehr berührt, dass alle von der Präkuscha sich dermassen solidarisch zeigen und ihre zum Teil doch hochpreisigen Werke einfach so zur Verfügung stellen. «Das rechne ich ihnen hoch an, denn es ist überhaupt nicht selbstverständlich. So können die Besucher:innen der Ausstellung nicht nur ihr Zuhause verschönern, sondern sogar noch etwas Positives bewirken in der Ukraine.» Zu sehen gebe es dann nicht nur ihre Skulpturen aus Ton oder ihre Bilder, die sie «Dichtungen über Landschaften» bezeichnet, sondern eine ganze Schatztruhe voller Stile und Techniken von Prättigauer Künstler:innen. «Ob grosse oder kleine Werke, wir versuchen wirklich eine breite Palette an Kunst zu präsentieren, die für jede und jeden etwas bereithält.» Zusätzlich zu den Präkuscha-Mitgliedern wird auch der kürzlich von uns porträtierte Christian Bissig seine Werke in Jenaz präsentieren. Die Ausstellung kann jeweils am Nachmittag besucht werden. Weitere Infos unter www.praekuscha.ch.

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