Hippieleben
Bild/Illu/Video: Lucas J. Fritz

Hippieleben

Die Hippies auf La Gomera gibt es seit langem. Manche leben hier schon fast ihr gesamtes Leben lang. Wie sich das Leben als Hippie anfühlt? Frei und ungebunden durch die Landschaft ziehend, ob allein oder in Gemeinschaft mit anderen, in stiller Zufriedenheit oder beständiger Einsamkeit. Die Alt-Hippies sind Menschen, die von der Freiheit von der Arbeit und dem Bünzlileben zur Freiheit zu leben wie sie es wollen, gelangt sind. Es ist eines, sich die Freiheit von etwas zu verschaffen, aber etwas gänzlich anderes frei zu bleiben und die Freiheit nutzen um etwas zu tun, oder eben nicht zu tun und dies konsequent.


Hippieleben verläuft in ruhigen, oft geregelten Bahnen. Man hat seine Routine und zwar eine, die Körper und Geist eine Wohltat ist. Stress und Überarbeitung ist damit unmöglich. Lebt man frei aus dem Bauch wie ein Hippie von La Gomera, so altert man langsam und schön. Die Falten im Gesicht werden über Zeit zu tiefen Furchen, immer braune Haut verliert seine Farbe irgendwann nicht mehr. Die meisten Hippies haben dürre Körper und kaum ein Gramm Fett zu viel am Leib. Das zeugt von einer sehr gesunden Lebensweise.


Fettleibigkeit ist aufgrund ständiger Bewegung, dem Einssein mit Mutter Natur und dem Umherreisen kaum möglich. Dieses Leben als Hippie ist gut und einfach, aber erfordert Disziplin. Jede Lebensweise aus deren Spass Ernst geworden ist, erfordert Durchhaltevermögen. Die genügsame Art zu leben, wie die Hippies es tun, ist von Verzicht geprägt. Verzicht ist in der westlichen Welt zu einem Trendwort der Wohlfühl- und Gebrauchsesoterik für marktgerechte Instant-Erleuchtung der hippen Spiritualitätskonsumenten geworden, doch davon ein anderes Mal mehr. Ob die Hippies auch ihre Zweifel an ihrem Lebensstil hegen?


Ob es die richtige Art und Weise ist zu leben? Gibt es überhaupt so etwas wie richtiges und falsches Leben? Gibt es nicht bloss das eigene Leben und das der anderen? Worin findet man Sinn und Zweck, wenn die eigene Existenz sich grundlegend von der Norm unterscheidet? Häufen sich die Zweifel und die Fragen mit dieser Lebensweise oder verschwinden sie gar gänzlich?


Tägliches zusehen des Sonnenuntergangs entspannt die Augen. Bildschirmzeit des Tages, der Woche, des gesamten Jahres: null Stunden, null Minuten. Leben ohne Zugang zur virtuellen Welt. Seltenes Nutzen von neuer Technologie, kein Bedarf von aus der Wand sprudelndes Wasser und Stromversorgung. Das wahre Leben ist draussen, nicht drinnen. Einmal alle drei Ewigkeiten werden die Batterien der Stirnlampe gewechselt und dann und wann die geliehenen und verliehenen Bücher getauscht. Gemeinsamer Besitz wird gross geschrieben, Gier nach Habe, so etwas gibt es hier nicht.

Nach einem erfüllten Tag in Frieden mit der Welt und im Handeln nach den eigenen Wertvorstellungen, folgt die Ruhe der Nacht. Nach einem rotgoldenen Sonnenuntergang über dem Meer, schläft man unter dem Nachthimmel ein. Manchmal weckt der Mond einen, weil seine Strahlkraft an Orten ohne Lichtverschmutzung hundert Mal stärker ist, als in der kleinsten Grossstadt der Welt. Ausrüstung ist wichtig. Isomatte, Schlafsack und einige Decken sind erforderlich, damit man gemütlich nächtigt ohne frieren zu müssen.


Etwas Kleidung für Stadt- und Strandbesuche, ansonsten sind viele Hippies ständig nackt unterwegs. Was auch hilfreich ist für ein Leben draussen, ist eine Stirnlampe, die einem den Weg durch die Dunkelheit leuchtet und Bücher zum Lesen und Hineinschreiben, um von den eigenen Gedanken abzulenken. Obschon die negativen Gedanken und Gefühle in der Stille zwischen Bergen und Meer meistens verstummt bleiben, gibt es Momente der Einsamkeit. Und die Einsamkeit fordert viel Kraft, weil sie den Einsamen in Zweifel setzt und ihm Gedanken über richtig und falsch ins Ohr flüstert.


Ganz besonders diejenigen, die häufig alleine sind und über Tage oder gar Wochen zu niemandem ausser sich selbst sprechen, sind der Einsamkeit ausgesetzt. Nachts ist die Einsamkeit am schlimmsten. Im Schlaf jedoch verliert sich alle Sorge im Nichts.


Frühmorgens erwacht man mit den Vögeln. Mit dem Gurren der Tauben und dem Gezwitscher der winzigen Inselspatzen startet man in den neuen Tag, macht sich auf zu neuen Taten und Gedanken wie Worten voller Harmonie mit Mutter Natur.


La Gomera ist ein Hippieparadies für jung und alt. Die abseits der Norm und Menschenmassen lebenden Individualisten haben es gerne ruhig. Manche streben nach einem möglichst autarken Leben im tropischen Inselinneren, andere ziehen es vor sich um ein Einkommen durch Strassenmusik und Schmuckverkauf zu kümmern. Ein Hippie scheut sich nicht davor in den Müllcontainern zu kramen um die von Läden weggeworfenen Nahrungsmittel zu retten und selbst zu verzehren. «Containern» wie es auch genannt wird, ist eine durchaus legitime Art und Weise sich die Kosten für Nahrung zu reduzieren.


Den Quell des Lebens gilt es zu hegen und zu pflegen, sonst verdorrt er wie ein Baum in der Wüste ohne Regen. Hippieleben heisst alles was man ist und hat zu geben und dadurch in Hülle und Fülle zu leben.

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