Ferien mit unerwartetem Ende
Aber wie man so schön sagt «Erstens kommt alles anders und zweitens als man denkt». Am Abend unserer Rückkehr aus den Ferien, erhielt ich die Nachricht, dass meine Mutter im Sterben liegt. Es könne noch zwei Stunden oder auch zwei Wochen gehen, aber ihr Zustand ist sehr kritisch. Meine Schwester, die bereits vor Ort war, bat mich schnellstmöglich zu kommen.
Da sass ich also am nächsten Tag im Zug anstatt in meiner Praxis und wusste «Du fährst jetzt zu deiner Mama um dich von ihr zu verabschieden». Allein der Gedanke löst in den meisten Menschen mindestens einen Kloss im Hals aus. Oder mehr. Die Mutter (das merkt man in solchen Situationen ganz schnell, egal wie das Verhältnis war) ist mehr als nur eine Person, die man ewig kennt. Das Band zwischen Mutter und Kind ist übernatürlich stark und tief verwurzelt.
Bei mir jedenfalls löste der Gedanke «Abschied nehmen» eine abartige Nervosität und ständig feuchte Augen aus.
Bis mir einfiel, was ich all meinen Klienten immer wieder sage: «Verändere deine Worte. Die Worte, die du zu dir selbst sagst, sind die wichtigsten, die du je hören wirst. Denn deine Worte und Gedanken haben direkten Einfluss darauf wie du dich fühlst.»
Und das tat ich. Aus «Ich fahre jetzt nach Deutschland, um meiner Mutter ein letztes Mal Tschüss zu sagen» wurde «Ich fahre jetzt nach Deutschland, um mich bei meiner Mama zu bedanken für alles, was sie je für mich getan hat».
Das hat alles verändert. Ich war nicht mehr weinerlich und nervös, sondern habe mich gefreut, dass ich nochmals die Chance habe, sie wissen zu lassen, dass ich unendlich dankbar für alles bin.
Natürlich fand ich es nach wie vor traurig, unfair und unverständlich, warum sie so früh gehen muss, aber ändern konnte ich nichts an ihrer prekären, lebensbedrohlichen Situation.
Und ich hatte einen direkten Einfluss darauf, wie ich mich in dieser Situation fühle.
Daher sass ich ein paar Stunden später an ihrem Bett im Spital und habe meine Chance genutzt, ihr all das zu sagen, was mir wichtig war, unter anderem, dass sie ein wunderbarer, wertvoller Mensch ist, dessen Leben ganz anders verlaufen wäre, wenn sie das von klein auf gelernt hätte. Nämlich, dass sie vollkommen gut ist, so wie sie ist.
Ich habe ihr all die guten Worte, die sie nie gehört hat, weil sie sie wahrscheinlich von niemandem gesagt bekam und sie sich auch nie selbst gesagt hat, mit auf ihre letzte Reise gegeben. Und ich bin sehr glücklich darüber, dass ich das noch für sie tun konnte.
Als ich sie dann am nächsten Tag noch ein letztes Mal lebendig gesehen habe, liefen schon viel weniger Tränen. Ich spürte, dass alles Unausgesprochene und die Dankbarkeit, die ich mit ihr teilen durfte, auch mich sehr beruhigt haben.
Natürlich muss Platz und Zeit für Trauer sein. Keine Frage. Aber komplette Verzweiflung und Trostlosigkeit haben noch nie jemandem geholfen.
Daher könnt ihr durch die Gedanken, die ihr in einer traurigen und manchmal auch wirklich aussichtslosen Situation denkt, in eine trostreiche, aufheiternde oder zumindest hilfreiche Richtung lenken.
Hier einige Beispiele: Was machen Aussagen wie folgende mit euch?
«Ich kann nie wieder glücklich sein ohne dich», «Ich halte das nicht aus», «Alles fällt mir so schwer»
Und im Gegensatz dazu:
«Es wird wieder besser.» «Ich schaffe das!», «Ich kann damit umgehen»
Die Situation ändert sich dadurch nicht. Aber wir sind handlungsfähig, entscheidungsfähig und nicht gelähmt oder blockiert durch schlechte Gefühle.
Somit habe ich etwas, das ich theoretisch und von der Beobachtung und Entwicklung meiner Klienten schon bestens kenne, endlich auch ganz praktisch anwenden dürfen. Und zwar in einer Situation, die wirklich eine Zerreissprobe war. Es funktioniert wirklich. Achte auf die Worte, die du zu dir selbst sagst, damit du dich selbst nicht herunter ziehst!
Ausserdem habe ich gelernt, dass Blut sehr viel dicker als Wasser ist. Sowohl was meine Schwester anbelangt, die in dieser Zeit immer an meiner Seite war, als auch was die wahnsinnig tiefe Bindung zu meiner Mutter anbelangt.
Und als drittes habe ich gelernt, dass ich meiner Mutter wirklich von tiefstem Herzen dankbar bin für alles, was sie für mich getan und auch nicht getan hat. Ohne sie wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin und könnte nicht so vielen Menschen helfen. Durch sie habe ich gelernt, was ein geringer Selbstwert (Ich bin nicht gut so wie ich bin) alles kaputt machen kann. Ganze Menschenleben. Ganze Familien. Daher kämpfe ich dafür, dass es anderen besser geht.
Danke für alles, Mama!