Das Handwerk Weben im Dorf erhalten
Der 1934 gegründete Verein hat das Ziel, die Webkultur im Dorf langfristig zu erhalten. In der gemütlichen Webstube mitten im Dorf stillen drei «Webstüblerinnen» unsere Neugier. Ruth Eugster, Präsidentin der Zizerser Landfrauen, Agnes Kaufmann, ehemalige langjährige Leiterin der Webstube und Domenica Flütsch, aktuelle Webstubenleiterin.
Wie kommt man heutzutage zum Weben?
Ruth Eugster: Ich war auf dem Zizerser Herbstmarkt und habe den Stand der Landfrauen gesehen und die schönen Sachen bestaunt. Kurz darauf stattete ich der Webstube einen Besuch ab und war begeistert. So fing ich mit Weben an. Das war vor 6 Jahren.
Domenica Flütsch: Bei mir war es ähnlich. Über viele Jahre habe ich immer am Herbstmarkt den Stand besucht und gesagt: Das würde ich mir so gerne mal ansehen. Es dauerte über 10 Jahre, bis ich es endlich mal schaffte, mich auch zu melden. Ich durfte ausprobieren und fing direkt Feuer. Ohne zig Kurse und viel Theorie wurde ich von Agnes Kaufmann einfach an einen Webstuhl gesetzt und machte erste Versuche.
Wann habt ihr bemerkt, dass das Weben für euch mehr als ein Hobby ist?
Eigentlich ist es für uns alle «nur» ein Hobby und das soll es auch bleiben. Alle, die in der Webstube Zizers weben, machen das als Hobby, wir haben keine Berufsausbildung gemacht. Deshalb bieten wir auch keine Kurse oder Ausbildung an. Bei uns findet man den Einstieg in ein spannendes und interessantes Handwerk. Vielleicht wird daraus bei der Einen oder Anderen mehr. Muss aber nicht.
Weshalb ist es so wichtig das Handwerk des Webens weiterzugeben?
Ruth Eugster: Wir betreiben die Webstube vor allem, weil wir selber Freude an der Handarbeit haben und das auch weitergeben möchten. Wer selber webt, erkennt, wie wertvoll eigentlich Textilien sind und wie viel Arbeit in einem Stück Stoff steckt. Das verändert den Umgang damit.
Domenica Flütsch: Früher gehörte das Weben oft zu den häuslichen Aufgaben, wie das Nähen oder Stricken, und man hat man so viel wie möglich selber hergestellt. Ganze Aussteuern wurden hier gewoben oder meterweise Stoff für Kleidung und Trachten. Handwerk hat immer auch mit gelebter Tradition zu tun, mit Identität.
Agnes Kaufmann: Das Schöne am Weben ist, dass es wohl ein altes Handwerk ist, aber unglaublich vielseitig und wahnsinnig wandelbar ist. Man kann sich austoben, von sehr traditionell bis mega modern. In der Zizerser Webstube pflegen wir aber nicht eine Kunstform sondern fertigen Dinge für den täglichen Gebrauch.
Wie anstrengend ist das Weben?
Ruth Eugster: Je nach Webstuhl kann es ziemlich anstrengend sein, nicht umsonst nennen wir einen unserer grossen Webstühle «den Traktor». Eigentlich braucht es fürs Weben den ganzen Körper: Man schiebt oder zieht das Schiffchen, schlägt an und muss bei jedem Schuss – je nach Muster - die entsprechenden Pedalen treten. Aber anstrengender ist es für den Kopf, es ist eine gewöhnungsbedürftige Koordinationsleistung, die Konzentration braucht.
Wie viel Geschick braucht es beim Weben?
Agnes Kaufmann: Eben kann jeder, Mann, Frau oder Kind, das Weben an sich ist keine Hexerei. Aber die Technik, wie alles zusammenhängt, von den Pedalen über die Verschnürungen und die verschiedenen Schäfte, bis jeder Faden am richtigen Ort eingefädelt und aufgefädelt ist, das ist enorm kompliziert und anspruchsvoll. Wenn das aber steht, dann haben auch Anfänger schnell ein Erfolgserlebnis. Weben an sich ist keine Kunst. Aber das ganze Handwerk mit allem Drumherum ist es wohl.
Wie kommt das im Dorfleben an?
Ruth Eugster: Das ist sehr unterschiedlich. Wahrscheinlich gibt es bei den Jungen nicht mehr viele, die wissen, dass es im Dorf eine Webstube gibt. Darum freuen wir uns auch sehr auf den Zizerser Herbstmarkt, wo wir mit unseren Websachen, mit Gebäck und Zwiebelzöpfen präsent sind und uns in Erinnerung rufen können. Das finden die Leute dann meist interessant und schätzen es auch, etwas Handgefertigtes aus dem Dorf zu kaufen.
Domenica Flütsch: Seit Neuestem haben wir auch eine Homepage und einen kleinen Webshop. Und zwar haben wir wohl den fast einzigen WAHREN Webshop. Oder müsste man in unserem Fall sagen: einen Web-Webshop?
Gibt es in der Umgebung ähnliche Vereine, mit denen ihr zusammen arbeitet?
Ruth Eugster: Auf Vereinsebene sind wir natürlich eingebunden bei den Bündner Landfrauen und machen auch regelmässig Ausflüge mit den Igiser Landfrauen. Und wir tauschen uns auch regelmässig mit anderen Bündner Weberinnen aus und einige unserer Mitglieder besuchen beispielsweise den Webtreff in Klosters. Aber Landfrauenvereine, die noch eine Webstube betreiben, gibt es in der Umgebung kaum mehr.
Beim Weben denke ich immer an Teppiche. Welche Produkte können aber sonst noch entstehen, wenn ihr den Webstuhl in Gang setzt?
Domenica Flütsch: Machbar ist alles. Bettwäsche, Vorhänge, Schals und Taschen, Tischdecken, Marendsäckli oder Geschirrtüachli. Je nachdem, welches Material auch immer die Weberin möchte, Lust hat oder mit den bestehenden Webstühlen möglich ist. Heute weben wir vor allem Gebrauchssachen, hübsche Accessoires oder Geschenke für Freunde und Bekannte. Nur ein kleiner Teil der Produkte, die hier entstehen, gehen in den Verkauf. Das Meiste wird für den Eigengebrauch gewoben.
Ist das Weitergeben der Tradition für euch auch eine Rückbesinnung auf die gute, alte Zeit, in der noch Handwerk und nicht Maschinen den Alltag bestimmt haben?
Domenica Flütsch: Ja und nein. Man wird ja automatisch irgendwie zurück versetzt und entschleunigt, das finde ich erholsam und schön.
Agnes Kaufmann: Wir machen das nicht aus Nostalgie sondern aus Freude an der Handarbeit. Gewebt werden auch flippige und moderne Sachen, da kann sich ja jede Weberin kreativ austoben, wie sie will. Die Kombinationsmöglichkeiten betreffend Material und Farben sind unerschöpflich. Das macht es so abwechslungsreich und spannend.
Wie funktioniert der Service bei so alten Gerätschaften? Vieles wird ja sicher nicht mehr produziert.
Agnes Kaufmann: Produziert wird eigentlich alles noch, respektive wenn man Schlosser und Schreiner zur Hand hat, können viele Reparaturen einfach gemacht werden. Das ist das Faszinierende: Ein Webstuhl ist effizient, intelligent aber doch mechanisch relativ einfach. Und sehr langlebig. Das Webzubehör kann natürlich immer noch über den Fachhandel bestellt werden.
Wie steht es um den Nachwuchs bei eurem Verein?
Ruth Eugster: Es ist auch bei uns so wie in vielen Vereinen, dass sich junge Leute nicht mehr so stark einbinden ins Konstrukt Verein. Aber dadurch, dass wir etwas herstellen, was man heimnehmen und nutzen kann, haben wir auch einen gewissen Vorteil. Wir stellen aber fest, dass das Interesse am Selbst-Herstellen und kreativen Schaffen wieder recht im Kommen ist, deshalb sind wir zuversichtlich.
Agnes Kaufmann: Noch vor wenigen Jahren waren wir schon etwas besorgt, ob wir Nachfolger finden für die doch manchmal zeitintensive Aufgabe. Wir freuen uns sehr, dass wir nun diesen «Generationensprung» geschafft haben und damit auch der Betrieb der Webstube wieder für weitere Jahre gesichert ist.