Ein (zu) perfekter Mensch
Bild/Illu/Video: Stefan Schwarz

Ein (zu) perfekter Mensch

Wir stören uns an Fehlern, doch vielleicht zeichnen genau diese Eigenschaften uns als Menschen aus. Fehler machen uns menschlich. Wäre eine perfekte Beziehung ohne Meinungsverschiedenheiten nicht langweilig? Eine Frau, die alle Wünsche des Partners erfüllt und umgekehrt? Wenn das erste Date jedes Mal ein Volltreffer wäre und man gar keine Möglichkeit hätte, sich nach Jahren darüber zu amüsieren? Löst ein zu perfekter Mensch nicht Misstrauen aus?


Im Philosophieunterricht haben wir uns einen Film angesehen, in welchem eine Anthropologin eine KI im Alltag testet. Es erscheint extrem komisch, wenn ein Mensch «zu» perfekt ist. Zu perfekte Antworten. Auf jede Frage eine Antwort. Die Sätze wirken wie auswendig gelernt und man könnte sagen «schleimig». Dieses perfekte Verhalten wirkt nach einiger Zeit so seltsam, dass man sich nichts mehr wünscht, als dass der Robotermensch Fehler macht. Wir wünschen uns also von einem Roboter, dass er mehr Fehler macht. Dies ist paradox, wenn man bedenkt, dass wir gleichzeitig immer perfektere Menschen haben möchten. Menschen, die ununterbrochen arbeiten und Leistung bringen, Sportler die Bestzeiten präsentieren, perfekte Paare, perfekte Familien, perfekte Körper.


Mit dieser neuen Technik müssen wir und fragen, was uns als Menschen ausmacht. Welche Fähigkeiten haben wir, welche ein Roboter, der im Körper eines Menschen steckt, nicht hat. Ein Roboter kann in Zukunft möglicherweise Stimmen imitieren, auf Reize reagieren, immer besser mit verschiedenen Situationen umgehen. Doch er ist zu perfekt. Er macht keine Fehler. Er hat keinen Charakter, er macht genau das, worauf er programmiert wurde. Wenn ein Text beispielsweise von ChatGPT geschrieben wurde, dann hört man den Autor nicht raus. Der Text mag inhaltlich und orthographisch möglicherweise perfekt sein, doch er hat keine Eigenheit.


Wenn ein Mensch perfekt ist, wird ihm sein Charakter genommen. Dann unterscheidet uns voneinander nur noch das Aussehen. Denn, wenn wir immer perfekt reagieren, haben wir keine Macken, die uns auszeichnen. Die Gefühle fehlen. Wir werden auf unser Äusseres reduziert. Genau das, wogegen viele Frauen vor allem momentan kämpfen. Es stimmt ja auch. Der Mensch hebt sich durch sein Inneres von der breiten Masse ab.


Man kann also erkennen, dass (zu) perfekt sein nicht dem Menschen entspricht. Solche Gedanken und Fragen haben viel mit der Philosophie zu tun und sind möglicherweise nicht Gedanken, welche wir uns täglich machen, doch es ist spannend, ihnen ab und zu nachzugehen. Wenn wir uns also wieder über das unperfekte Verhalten eines Menschen nerven, dann dürfen wir uns eigentlich freuen. Freuen, dass er ein Mensch ist;)

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