Die Halbwertszeit von Neujahrsvorsätzen
Wer kennt das nicht? Man merkt, dass man sich wirkliche dumme Dinge angewohnt hat, beispielsweise ungesunde Ernährung, zu viel Alkohol, Nikotin oder zu wenig Sport. Gerade das mit dem Sport ist in den Fitnessstudios stark spürbar. Anfang des Jahres sind die verschiedenen Kurse gut besucht und die Studioleiter können sich (sofern sie nicht wegen Corona sowieso schliessen müssen) über zahlreiche Neukunden freuen.
Doch leider lässt spätestens Mitte Februar die Euphorie spürbar nach. Wenn man am Anfang noch voller Tatendrang, mit dem imaginierten Traumkörper im Kopf, freudig die Sporttasche packt und während des Workouts krampfhaft durchhält, meldet sich der viel zitierte innere Schweinehund nach kurzer Zeit immer lauter.
Um dem lästigen Bellen des inneren Schweinehundes gerecht zu werden, finden wir Ausreden oder Entschuldigungen, warum wir heute also wirklich nicht trainieren können. Für uns selbst klingen die auch wirklich sehr aufrichtig und obwohl wir ganz ernsthaft vorhatten uns in diesem Jahr endlich mehr zu bewegen, lassen wir es noch vor dem Frühling dann doch ganz bleiben.
Woran liegt das? Die Tatsache, dass es vielen Menschen so geht, zeigt uns ja deutlich, dass es erstens schwierig ist seine Gewohnheiten zu ändern und zweitens nicht nur ein persönliches Problem von uns alleine ist.
Grund für unsere Verhaltensmuster sind starke Verbindungen zwischen den einzelnen Nervenzellen (Neuronen) im Gehirn. Neuronen geben die Informationen im Gehirn als elektrische Impulse von Neuron zu Neuron weiter und verknüpfen sich so miteinander. Vereinfacht gesagt, ist es so, dass die Neuronen, die für die Gewohnheit keinen Sport zu treiben, benötigt werden, zusammenarbeiten und den Impuls «ich bleibe auf dem Sofa sitzen und schaue Netflix» an die entsprechenden Gehirnzellen weitergeben. Je öfter wir das so machen, desto stärker werden die Verbindungen der entsprechenden Neuronen.
Für die Information im Gehirn «Ich gehe gleich nach der Arbeit ins Fitnessstudio» sind andere Neuronen zuständig. Diese arbeiten aber noch nicht so gut zusammen, weil wir ja erstmalig am 4. Januar direkt nach der Arbeit ins Fitness gehen wollen. Unser Gehirn bewegt sich sehr gerne in gewohnten Bahnen und deswegen bevorzugt es Verhaltensweisen, die schon sehr gut eingeprägt sind. Von den Neuronen aus gesehen, bedeutet das, dass die Neuronen «Couchpotato» sehr gut miteinander zusammenarbeiten und durch die häufige Informationsweitergabe schon richtige «Autobahnen» zueinander gebildet haben. Die Information «Fitnessstudio» hat ab Ende Januar höchstens ein kleines Weglein zwischen den dafür zuständigen Neuronen gebildet. Für unser Gehirn, das gerne den einfachen, bequemen Weg geht, ist es viel angenehmer die «Autobahn Couchpotato» zu verwenden, als den kleinen Pfad «Fitnessstudio» zu benutzen. Daher verfällt es gerne in alte Muster. Man kann also sagen, dass unser innerer Schweinehund die «Autobahnen» unseres Gehirns beschützt und dadurch verhindert, dass wir neue «Wege» im Gehirn anlegen und somit unsere alten Verhaltensweisen und Muster durchbrechen.
Daher ist am Anfang einer Veränderung, egal welcher, grosse Willenskraft notwendig, um überhaupt durchzuhalten. Und da wir neue «Wege und Bahnen» in unserem Gehirn anlegen müssen, müssen wir diese neue Verhaltensweise sehr oft wiederholen. Nur so können sich die dafür zuständigen Neuronen miteinander verknüpfen und ebenfalls eine «Autobahn der Informationsweitergabe» bilden. Ein positiver Nebeneffekt ist, dass die alten Bahnen mit der Zeit immer schwächer werden. Eine solche Umprogrammierung des Gehirns braucht Geduld und Zeit. Aber, wenn man dabei bleibt, sind langfristige Änderungen sehr gut möglich. Somit macht das Sprichwort «Wer will findet einen Weg, wer nicht will findet Ausreden» auch neurobiologisch eine Bedeutung. In diesem Sinne einen guten Start ins 2021!