Der Schatzmeister Josef Riederer
Bild/Illu/Video: Christian Imhof

Der Schatzmeister Josef Riederer

Dorf-Museums-Initiant Josef Riederer erinnert sich gut an den Moment, als seine Leidenschaft für das Sammeln erwachte. «1989 wurde ich Schreiber und Archivar der Ortsgemeinde Pfäfers. Dadurch bekam ich Zugang zum Archiv.» Die Fülle an vorhandenen Schätzen faszinierte ihn dermassen, dass er sogar damit begann autodidaktisch die alte deutsche Schrift zu erlernen und dafür in den alten Protokollen und Schriften las. Von einem Verlag habe er zusätzlich auch alte Zeitungen zum Lesen bekommen. Ein wenig einfacher mit dem Übersetzen und Einordnen wurde es durch den Nachlass von Theophil und Toni Nigg, denn dort waren auch die Übersetzungen der alten Kirchenbücher dabei, was es ihm ermöglichte einen Stammbaum seiner Vorfahren bis ca. 1620 zurück zu erstellen, was eine Riesenarbeit gewesen sei. Nach dem Riederer diese Daten beisammen hatte, interessierte es ihn natürlich, was diese Vorfahren so alles erlebt haben. «Deshalb begann ich, alte Bücher, Bilder, Fotos und Stiche zu sammeln. Ich wurde auch Stammgast in diversen Bibliotheken. Von den alten Geschichten und Aufzeichnungen, die ich in diesen Büchern fand machte ich eine chronologische Liste mit Beschreibungen und Stichworten. So konnte ich nachvollziehen was meine Vorfahren alles erlebt haben. Im Ortsgemeindearchiv habe ich sogar unsere Einbürgerung von 1624 gefunden.»

Geschichtsforschung macht süchtig
Doch seine Faszination für die Geschichte beschränkte sich schnell nicht mehr nur auf den eigenen Familienstammbaum und wurde auch von aussen wahrgenommen. «Bald hatte ich Anfragen für Geschichtstafeln und Bücher. Das erste Projekt waren die Walsertafeln im Calfeisental. Es folgten Schautafeln über die Lokalgeschichte in Pfäfers, Marpagg, St. Margrethenberg und viele andere mehr.  Zur Einweihung der neuen Alphütte Gamserälpli und dem 50 Jahre Jubiläum der Wasserkorporation durfte ich kleine Schriften verfassen. Seit bald 20 Jahren veröffentliche ich in der Jahresrechnung der Ortsgemeinde Pfäfers jeweils einige Seiten zur Lokalgeschichte. Ein studierter Historiker hat mir einmal gesagt, dass Geschichtsforschung süchtig mache. Dem kann ich nur beipflichten.»


Die bewegte Geschichte von Pfäfers
Er ist ein grosser Geschichtenerzähler. Praktisch zu jedem Ausstellungsstück im Dorf-Museum hält er eine persönliche Anekdote bereit und es ist nicht gelogen, wenn man behauptet, dass er wahrscheinlich mehr über seine Gemeinde weiss als Wikipedia. Hier, in der Ortschaft, welche ursprünglich um das Kloster gebaut wurde, fühlt sich Josef Riederer zu Hause. «Ich habe praktisch mein ganzes Leben in Pfäfers verbracht, bin hier zur Schule gegangen und aufgewachsen.» Das Taminatal biete mehr als die malerische Landschaft und sei eine sehr geschichtsträchtige Gegend. «Ich denke da an die prähistorische Fundstätte Drachenloch, die Porta Romana und der Kunkelspass zur Römerzeit, das Kloster Pfäfers, die Thermalquelle und die Bäder in der Taminaschlucht, die freien Walser im Calfeisental, die Burg Wartenstein, St. Georg mit dem uralten romanischen St. Margarethalied und vieles anderes mehr.» Diese Geschichten aus der Region will Riederer erhalten, denn leider seien schon sehr viele verloren gegangen. «Es sind viele wertvolle Sachen verschwunden oder fortgeworfen worden. Dies passiert jeweils nur einmal, da diese Sachen dann für immer unwiederbringlich verloren sind, was jammerschade ist. So wurden zum Beispiel zwei fast hundertjährige Vereinsfahnen von Pfäfers entsorgt.», erklärt Riederer nachdenklich.


Die neue Schatzkammer in Pfäfers
Seit Anfang Oktober ist das Dorfmuseum Pfäfers offen. Es wurde wegen der Pandemie auf ein grosses Einweihungsfest verzichtet, was den Wert der Ausstellung aber auf keinen Fall mindert. «Ich sehe das Museum hauptsächlich als Beitrag den Stolz der Bürger von Pfäfers zu heben und das Interesse an der Geschichte zu wecken. Man sieht, dass auch ein kleines Bergdorf eine grosse Geschichte haben kann. Ich finde es wichtig, dass die Bewohner die Geschichte des Dorfes kennen und so auch einen Bezug und Stolz zu ihrer Heimat aufbauen können.» Seine umfassende Sammlung zeigt Riederer seit kurzem in geschichtsträchtigen Mauern. «Das Haus zur Taube beim Lindenplatz war ursprünglich das Mägdenhaus des Klosters. Dieses wurde 1678 vom Kloster verkauft und als Wirtshaus «Zur Taube» verliehen. 1947 wurde der Restaurantbetrieb eingestellt und die Liegenschaft als Wohnhaus genutzt.» Im Jahre 2014 konnte dann die Ortsgemeinde das Haus käuflich erwerben und begann drei Jahre später es selbst zu nutzen. «So wurden ein Sitzungszimmer, Büros und Archivräume eingerichtet. Ausserdem wurde beschlossen in der ehemaligen Gaststube ein kleines Dorfmuseum zu realisieren. So bekam ich vom Ortsverwaltungsrat den Auftrag, dieses an die Hand zu nehmen.» Die Ausstellung ist umfassend und eine Entdeckungsreise für Geschichtsbegeisterte wie ihn. Es gebe schon ein paar Dinge, die er sehr gerne habe. «Für mich sind die Spruch-, Lehen- und Kaufbriefe, die ich selber in die heutige Schrift übersetzt habe, sowie das Diplom der Eidgenossenschaft für einen Ortsbürger von Pfäfers der in Paris den Tuileriensturm mitmachte, ein Höhepunkt.  Für die alten Pfäferser sind sicherlich die ausgestellten alten Ansichtskarten interessant.»


Ohne Pfäfers kein Bad Ragaz
Über Bad Ragaz gibt es heute ziemlich viel Literatur, über die Gemeinde Pfäfers leider rechtwenig. Josef Riederer weiss, warum dies so ist. «Früher hat es geheissen, Ragaz bei Pfäfers. Ragaz war ein kleines unbedeutendes Bauerndorf, Pfäfers ein reiches Kloster und ein weltbekanntes Bad.» So wie heute sei es nicht immer gewesen. «Früher gab es viel Literatur insbesondere über das Bad Pfäfers. Zwei der ältesten erhaltenen Bücher des Kantons St. Gallen, das Liber Viventium und das Liber Aureus wurden ja im Kloster Pfäfers geschrieben. Ein bekanntes Buch über das Bad Pfäfers ist sicherlich die Schrift von bekannten Arzt Paracelsus von 1535. Erwähnenswert ist auch  das Buch von Conrad Gessner der 1555 eine Waldrappenbrutstätte bei dem alten Bad Pfäfers erwähnt. Es ist dies der einzige wissenschaftliche Nachweis in unserer Gegend.» Alles verändert habe das Jahr 1840. Nach der Klosteraufhebung 1838 wurde nämlich das weltberühmte «Pfäferserwasser» nach Ragaz geleitet. So entwickelte sich der heute weltbekannte Kurort Bad Ragaz. Der Badebetrieb in der Taminaschlucht wurde 1969 eingestellt und heute heisse es vielfach Pfäfers oder die Taminaschlucht bei Bad Ragaz. «Mit dem Aufschwung von Ragaz zum Kurort wurde natürlich auch die Literatur über Ragaz mit den vielen Hotels vielfältiger. Die Geschichte der Thermalquelle, das Bad Pfäfers und der Klosterherrschaft  bezieht sich natürlich immer auf beide Gemeinden. Die Thermalquelle entspringt auf Pfäferser Boden und das alte Bad Pfäfers steht ebenfalls im Taminatal.» Dies dürfe nicht in Vergessenheit geraten, denn ohne die Quelle in Pfäfers Bad Ragaz heute nicht der Kur- und Badeort schlechthin wäre.


Im Archiv hat es noch Platz
Josef Riederer sagt, im Moment sei es nicht geplant, das Museum zu erweitern oder zu vergrössern. Dazu fehle ihnen der nötige Platz. Doch in den oberen Stockwerken des Hauses Taube befänden sich noch einige leere Zimmer, welche als Archiv genutzt werden. «Dort können weitere Exponate gelagert werden. Wir haben auch schon Sachen (Protokolle, Fotos etc.) von Vereinen oder Korporationen bekommen. Auch die Nachlässe zum Beispiel von Josef Bärtsch, Bad Ragaz dem Hauptinitiator für die Erhaltung des alten Bades in der Schlucht, sowie von Theophil und Toni Nigg sind teilweise dort eingelagert. Allenfalls könnte man so später auch einmal Ausstellungstücke im Museum austauschen. Wichtig ist und das ist mir ein grosses Anliegen, dass solche Sachen nicht mehr weggeworfen werden!»


Das Dorf-Museum Pfäfers kann ab sofort jeden ersten Samstag im Monat von 14-16 Uhr oder auf telefonische Anmeldung (081 302 36 89) besichtigt werden.

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