Arbeit, Herzblut, Schweiss und ein grandioses Finale
Nun lagen sie vor mir, kleine Büchlein, jedes gefüllt mit einer Geschichte. Ich habe natürlich sofort reingelesen. Mein Auftritt begann dann mit einem riesigen Kompliment. Für die fertigen Geschichten. Für die packenden Einstiege. Für die individuellen Erzählsprachen. Und fürs Durchhalten.
«Wer von euch wollte irgendwann während des Schreibens aufgeben?», fragte ich.
Fast alle Hände gingen nach oben. Meine auch.
Weil man als Autor*in bei jedem Projekt an den Punkt kommt, an dem man aufgeben will. Ich finde dann jeweils alles Schrott, was ich geschrieben habe. Hadere mit dem Plot, mit dem Text, mit mir, mit meinem Beruf und generell mit der Welt. Wünsche mir, ich wäre Gärtnerin geworden oder sonst was Vernünftiges. Stehe kurz davor, alles zu löschen oder wenigstens den Laptop zum Fenster rauszuschmeissen.
Das ist normal. Alles im grünen Bereich. Dieses Zweifeln an sich und seinen Fähigkeiten gehört zum Schreiben. Wer dann nicht aufgibt, sondern durchhält und weitermacht, wird mit einem fertigen Text belohnt.
Zu diesem fertigen Text gibt es so viele Wege wie es Schreibende gibt. Man macht sich fachkundig, liest Ratgeber, holt sich Tipps und Tricks, wie aus einem noch etwas trockenen Text ein richtig guter wird. Jugendliche, die mit dem Lehrmittel «Die Sprachstarken» arbeiten, erhalten Einblicke in die Arbeitsweisen von Autor*innen. Aber am Ende muss Jeder und Jede für sich herausfinden, was der eigenen Persönlichkeit am besten entspricht. Was für die eine bestens funktioniert, führt beim anderen auf keinen grünen Zweig und umgekehrt. Einige brauchen den Druck einer Deadline, andere eine penible Planung, noch andere blühen auf, wenn sie ihre Fantasie einfach mal ungezügelt fliegen lassen dürfen.
Die Jugendlichen, bei denen ich in Riggisberg gelesen habe, haben ihren Weg gefunden. Das hat die Lesung so richtig spannend gemacht, weil alle wussten, was Textarbeit ist. Wie toll, aber auch wie frustrierend und lähmend sie sein kann. Welche Stolpersteine lauern. Wie gross die Freude und auch der Stolz sind, wenn man es geschafft hat.
Wenn ich bei solchen Klassen zu Besuch bin, die selber Geschichten geschrieben haben, erzähle ich meistens, wie meine Bücher entstehen. Ich lasse sie an meinem Schreibprozess teilhaben, von der Idee bis zum fertigen Buch, tausche mich mit ihnen aus, frage, was sie getan hätten, wie sie entschieden hätten. Das ist jedes Mal spannend, anregend – und zuweilen wird es richtig lustig. Denn das Schreiben muss keine todernste Sache sein, nicht einmal, wenn man zappendustere Krimigeschichten erfindet oder grad an einer Stelle völlig feststeckt und nicht vor und zurück weiss. Anders gesagt: Schreiben ist eine emotionale Achterbahn.
Im Falle der Lesung in Riggisberg kam noch ein zusätzliches Gefühl dazu: Fast alle waren zumindest ein kleines bisschen aufgeregt. Denn nach meiner Lesung ging’s ab zum letzten Üben und Vorbereiten. Auf dem Programm standen Lesungen. Ihre Lesungen. Sie präsentierten ihre Geschichten einem auserlesenen Publikum. Mit Erfolg.
Ich freue mich darüber, dass die Texte einen würdigen Rahmen gefunden haben. Hinter jedem einzelnen steckt viel Arbeit, Herzblut und Schweiss – und ein gelegentlicher Durchhänger. Wer es durch alle Höhen und Tiefen bis zum Ende einer Geschichte schafft, verdient einen Auftritt damit. Ein grandioses Finale. Ich gratuliere euch, ihr Riggisberger Jungautor*innen. Toll gemacht!