Schullesungen für Jugendliche fegen
Eine klassische Lesung am kleinen runden Tischchen hinter einem Mikrofon, neben sich ein Glas Wasser und allenfalls eine dekorative Lampe: So was funktioniert bei Jugendlichen nicht. Wer für ein junges Publikum liest, muss es packen und fesseln, muss sozusagen «all in» gehen. Genau das kann Jutta Wilke. Sie tritt von Anfang an in einen Dialog, erzählt nicht einfach, woher sie kommt, sondern verrät nur, dass aus ihrer Heimatstadt gleich zwei ganz berühmte Autoren kommen. Nach kurzem Raten ist klar: Die berühmten Autoren sind die Gebrüder Grimm. Die Stadt in der Jutta Wilke lebt, ist Hanau, wo es eine Gebrüder Grimm Strasse, einen Gebrüder Grimm Kindergarten, ein Gebrüder Grimm Hotel, ein Gebrüder Grimm Einkaufszentrum, den Märchenwanderweg, die Märchenfestspiele und den Gebrüder Grimm Lauf gibt. Da kann und will natürlich auch die Frau Autorin nicht zurückstecken. Ihre beiden Katzen heissen Jakob und Willhelm, und sie versteckt in jedem ihrer Bücher einen Hinweis auf eines der Grimm Märchen.
Das Eis ist gebrochen. Die Lesung ist in voller Fahrt. Es geht um Buchcover, Buchtitel, Klappentexte. Wer die gestaltet und schreibt und wie wichtig sie sind. Es geht auch um Buchläden und die Bücher auf den Stapeln oder im Regal. Und natürlich auch darum, ob und wie viel Geld man mit dem Schreiben verdienen kann. Jutta Wilke weicht keiner Frage aus, sondern beantwortet alle ehrlich und direkt und fast wie nebenbei erfährt man dabei auch ganz viel über ihre Bücher.
Aus zwei davon liest sie vor. Aus ihrem Thriller «Schwarz wie Schnee», wo es ganz leise wird im Publikum. Und danach aus ihrer Liebesgeschichte für Jungs, die sie unter einem männlichen Pseudonym geschrieben hat, weil der Verlag fand, dass kein Junge eine Liebesgeschichte einer Frau kaufen würde. Es versteht sich von selbst, dass auch der Titel des Buches ein wenig anders klingt als andere Titel von Liebesgeschichten: «Die inneren Werte von Tanjas BH.»
War es beim Vorlesen aus dem Thriller noch ganz still, fährt die Stimmung nun hoch. Ungläubiges Staunen wechselt ab mit Gelächter, denn es geht genau um die Sachen, die Jungs im Zusammenhang mit Mädchen so im Kopf (und anderswo) rumschwirren. Mehr als einmal wird schon fast kollektiv tief eingeatmet, gespannt auf die nächsten Sätze gewartet, bis sich die Spannung in Lachen auflöst.
Ich mittendrin, rund um mich herum Gesichter, auf denen sich die ganze Gefühlsskala spiegelt. Und ich denke, was für ein Privileg es ist, bei Jugendlichen zu lesen, wie viel Spass und Freude das machen kann. Wie lebendig solche Lesungen sind. Tief in mir drin der Wunsch, all die Erwachsenen, die den Jugendlichen das Interesse für Bücher und Lesen absprechen, könnten das erleben. Vor allem jedoch würde ich mir wünschen, dass jeder Jugendliche und jede Jugendliche während ihrer Oberstufenzeit oder auch in der Lehre mindestens eine, besser jedoch mehrere Lesungen erleben dürfte.
Ein Hinweis an Schulbibliothekarinnen und Lehrpersonen: Jugendbuchautor*innen können für Lesungen gebucht werden. Entweder über offizielle Veranstalter von Schullesungen oder unkompliziert oder direkt bei den Autor*innen selber. Einfach auf ihre Webseite gehen, auf die Kontaktadresse klicken und eine Mail schreiben.