Kind oder Karriere?
Bild/Illu/Video: Milena Rominger

Kind oder Karriere?

«Kinder fand ich immer schon nervtötend…», sagt mir Susette, während eines Spaziergangs an einem goldigen Herbstmorgen. «Schon als Kind spielte ich nicht gerne mit Puppen. Nie hatte ich einen Puppenwagen dabei, geschweige denn mit Barbies gespielt. Ich war eher der «Dreckmichel». Susette lacht, während sie zurückdenkt. Und sofort wird sie wieder ernst, jetzt wo sie neben mir geht und einen Kinderwagen vor sich herschiebt. Sie sieht mich an, so als könne sie nichts dafür, dass jetzt ein kleines Baby in diesem Wagen liegt, welches ihr gehört.


«Wie konnte ich mich so in mir täuschen?»

Susette war anstrebende Archäologin. Sie befand sich mitten im Studium, als sie plötzlich schwanger wurde. Ungeplant, ungewollt, aber mit ihrem Traummann.

«Wir lernten uns im Studium kennen. Waren sofort in einander verknallt und trieben es wie die jungen Karnickel.» Susette lacht bei diesem Vergleich. Sie war gerade mal 24 als das alles von statten ging.

«Ich dachte, er sei mein Loverboy. Nichts Ernstes. Wir wollten einfach nur Spass miteinander haben, neben all den historischen Fächern und Vorlesungen.»

Susette wurde schwanger und studiert heute nicht mehr.

«Es war schon ein riesiger Schock. Schliesslich hatten wir immer verhütet. Nach der Geburt fiel ich in eine Depression, welche -was ich heute weiss- schon in der Schwangerschaft bestand. Aber ich liess mich behandeln.»


Heute sieht Susette das Gute in ihrem Baby.

«Es hat lange gedauert, eine Bindung zu ihm aufzubauen. Das war nicht einfach. Aber ich habe mich gezwungen, es anzulächeln und mit ihm Blödsinn zu machen. Grimassen zu schneiden und mich als Clown lächerlich zu machen. Jedes Mal, wenn ich dann ein Lächeln bekam, schmolz mein Herz und Kinder waren für mich plötzlich nicht mehr dermassen nervtötend.»


Mittlerweile ist Baby Bobby 9 Monate alt und wird von Mutter und Vater abgöttisch geliebt. Susette und ihr Loverboy fanden einen Weg, als Familie zu bestehen.


«Wir haben zwar praktisch kein Geld, mussten bei seinen Eltern einziehen, aber wir sind glücklich. Mein Freund ist jetzt im letzten Studienjahr. Was mich besonders glücklich macht, ist, dass wir ihn nach dem Studium zu den archäologischen Ausgrabungsstätten begleiten dürfen. Für mich ein Trostpreis, bei dem ich ganz sicher viel lernen werde. Trotz Baby.»


Auf die Frage, ob Susette weiter studieren möchte, sobald Bobby ein bisschen älter ist, weiss sie unverzögert eine Antwort: «Du magst es nicht glauben, aber ich kann mir weitere Kinder vorstellen. Sobald Loverboy sein eigenes Geld verdient und wir aus der Einliegerwohnung seiner Eltern raus können, möchte ich noch mehr Kinder mit ihm. Wie kann so ein Sinneswandel in einem vorgehen? Wann ist das passiert? Ich kann es selbst nicht glauben, aber so ist es. Studieren kann ich dann immer noch, wenn die Kids in der Lehre sind, oder mein Freund mal eine längere Pause vom Ausgraben machen will.»


Ende gut, alles gut? Jedenfalls sag niemals nie…

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