Ingeborg Rotach
Bild/Illu/Video: Alice Gabathuler

Ingeborg Rotach

Der Titel dieser Kolumne ist bewusst gewählt. Einfach, schlicht und bescheiden, ohne viel Trara rundherum. So ist sie, Ingeborg Rotach.


Ich lernte sie via AUTILLUS kennen, dem Verein der Schweizer Kinder- und Jugendbuchschaffenden. Vor ein paar Jahren habe ich das Bucharchiv des Vereins aus den vielen Kartonschachteln befreit und ihm in einem kleinen Stall in den Bergen der Surselva ein Zuhause und vor allem einen Raum gegeben. Unter all den Büchern waren auch ein paar von Ingeborg Rotach, und weil ich unsere persönlichen Gespräche stets als sehr spannend und anregend empfunden habe, habe ich mich durch alle Geschichten gelesen, die ich von ihr finden konnte. Mein Hauptgefühl vor dem Lesen des ersten Buches: Bangen, weil ich Angst hatte, die Geschichten und / oder die Erzählsprache würden mich enttäuschen. Ich fand zu meiner Erleichterung schnell heraus, dass sie das nicht tun.


Ingeborg Rotach hat eine ureigene, zeitlose Erzählsprache. Vielleicht kommen einem ihre Bücher auch zeitlos vor, weil sie schon früh über Themen geschrieben hat, die heute noch aktuell sind. Übers Untertauchen von Kindern, denen die Ausschaffung droht. Über das Auf- und Verarbeiten der Judenverfolgung in Deutschland. Über das Sterben. Und immer wieder über die inneren Nöte und Sorgen von Kindern und Jugendlichen. Aber nie kitschig oder überdramatisch oder mit diesem pädagogisch wedelnden Zeigefinger, der früher öfters in Büchern zu finden war, sondern schon fast nüchtern. Und genau in dieser nüchternen Sprache liegt eine grosse, starke Kraft.

So sass ich also vor dem Stall in der Sonne und las und las und las. Fragte mich, warum diese Autorin keinen grösseren Platz in der Geschichte der Schweizer Kinder- und Jugendliteratur einnimmt. (Na ja … ich ahnte auch die Antwort … wer meine Kolumne regelmässig liest, wahrscheinlich auch.)


Und natürlich wollte ich mehr wissen über die Autorin Ingeborg Rotach. Sie wurde 1930 geboren, wuchs in Rapperswil auf und besuchte die Kantonsschule in Zürich, die sie mit dem Handelsdiplom abschloss. Sie reiste, bildete sich zur Bibliothekarin aus, schrieb Beiträge fürs Schweizer Radio und diverse Zeitungen und Zeitschriften, unter anderem auch für den «Nebelspalter», der damals noch eine Satirezeitschrift war. Und sie schrieb Bücher. 1988 erhielt sie den Schweizer Jugendbuchpreis.


Geschrieben habe sie schon immer, verrät sie auf ihrer Webseite, seit sie sich zurückerinnern könne. Später, so sagt sie, habe sie die Geschichten, die sie ihren Kindern erzählte, aufgeschrieben. «Vielleicht, um das still gewordene Haus noch einmal zu beleben oder um mir Rechenschaft über den rasch vergangenen Lebensabschnitt zu geben.»

Dass Ingeborg Rotach für den Astrid Lindgren Memorial Award nominiert ist, freut mich sehr. Es rückt diese bescheidene Autorin in ein verdientes Scheinwerferlicht und – viel wichtiger noch – zeugt von Anerkennung und Wertschätzung ihrer Arbeit. Der Preis wurde von der Schwedischen Regierung ins Leben gerufen, um das Recht jedes Kindes auf grossartige Geschichten zu fördern. Ein Ziel, das Ingeborg Rotach bestimmt von Herzen bejahen kann.


Am 22. März 2022 wird die Jury den Namen des/der Preisträger*in bekannt geben. Ich drücke Ingeborg Rotach auf jeden Fall die Daumen.


www.ingeborg-rotach.ch

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