Erica Brühlmann-Jecklin feiert Vernissage zuhause
Die Idee zum Buch über das Leben ihrer
Tante sei eher spontan entstanden. «Meine Tante las das Buch ‘Sofia - eine Frau
aus dem Prättigau’ bereits vor Drucklegung und war recht begeistert. Sie hat
mir dann bei einem unserer Besuche ihre Geschichte erzählt, ich durfte sie auf
Tonband aufnehmen. Ausserdem übergab sie mir eine Kassette, auf welcher sie vor
Jahren ihre Geschichte in englischer Sprache aufgesprochen hatte. Ich merkte,
dass es ihr ein Bedürfnis ist, dass diese Geschichte nicht verlorengeht.» In
Siebenbürgen ist ihre Tante geboren, wurde dann aber im Januar 1945 mit allen
anderen jungen Menschen von den Russen in die Ukraine deportiert, wo sie zweieinhalb Jahre in
einem Arbeitslager gefangen war. Später, als die Rumänen die Siebenbürger nicht mehr in ihr Land
einreisen lassen wollten, wanderte sie nach Kanada aus und wurde durch Heirat
Prättigauerin, respektive eine der Jecklins.
Ein Stück Verarbeitung
Ihr
Dorf, in der sie eine schöne und behütete Kindheit erlebt habe, vermisse ihre
Tante bis heute, sagt Brühlmann-Jecklin. «Aber sie wusste auch stets, dass dieses Paradies
verloren war. Kann man Heimweh nach etwas haben, das es nicht mehr gibt? Ich
weiss es nicht.» An der Geschichte am meisten fasziniert habe sie, die Kraft
mit welcher sie ihr Leben trotz allem gestaltet habe. «Ich denke, sie hat ihre
Kraft von ihren gesunden Wurzeln genommen, und hat letztlich auch dank der
glücklichen Ehe mit meinem Onkel den Mut gehabt, sich in Kanada ein neues
Paradies zu schaffen.» Anlässlich von ihrem 95. Geburtstag am 12. März habe sie grosse Freude gezeigt. «Bei einem Bild, welches vor dem Kapitel ihrer
Kinder- und Jugendzeit ihr Dorf zeigt, sagte sie gleich: ‘Schaut, das ist
unsere Kirche. Und so sahen alle unsere Häuser aus.’ Ich vermute, dass die
Tatsache, dass sie ihre Geschichte nun in Händen halten kann, auch ein Stück
Verarbeitung bedeutet.»
Heimspiel in Schuders
Am 6. Juni 2022, respektive am gleichen Tag, an dem in Schuders auch der
traditionelle Jahresmarkt stattfindet, liest Erica Brühlmann-Jecklin wieder mal
in heimischem Gebiet. Die Autorin, die in Küblis geboren ist, sagt, dass sie vor jeder Lesung eine gewisse Aufregung spüre. «Im
Prättigau kommt aber auch Freude dazu, ist es doch meine Heimat. Dass ich im
Kirchlein von Schuders lesen darf, freut mich besonders, habe ich zu diesem
Dorf und seiner Kirche doch auch eine spezielle Beziehung.» Für das Tal habe sie auch Zeilen bereit, die hier spielen. «Da es eine Vernissage ist, werde ich nur aus diesem Buch lesen und
daraus selbstverständlich auch den Abschnitt, wie meine Tante ihren Mann nach
Küblis begleitet und wie sie sein Dorf und alle (neuen) Verwandten
kennenlernt.» Doch primär gehe es nicht darum, aus möglichst vielen Werken
vorzulesen, sondern viel mehr die Lebensgeschichte ihrer Tante zu zelebrieren.
«Bei Fragen würde ich sicher auch auf andere Bücher eingehen. Ich werde das
eine und andere auch mit dabeihaben, aber diese Vernissage soll eine Hommage an
meine Tante, meinen Onkel und ihre Familie sein.» Schön, dass der Weg der
Exilprättigauerin durch ihre Tante auch mal wieder in die Region führt.