Die Mauer
Eine Mauer, die früher hier nicht stand, aber jetzt tut sie es und viele Menschen machen um sie einen grossen Bogen – einen Bogen um mich und meine Mauer.
Inzwischen fühlt es sich allerdings fast gut an, dass da eine Mauer steht. Irgendwie bietet so eine Mauer auch einen gewissen Schutz. Aber ich muss mir eingestehen, dass so eine Mauer auch ziemlich abschottet.
Die Mauer ist in diesem Text eine Metapher. Sie steht für meine aktuelle Schreibblockade. Seit Wochen verspüre ich kein Bedürfnis mehr zu schreiben. Ich habe kein Bedürfnis, mich dieser verrückten Welt mitzuteilen, sie wird mich ohnehin nicht verstehen. Um einiges lieber bleibe ich hinter meiner Mauer versteckt und habe meinen Frieden. Aber vielleicht, so zumindest habe ich die leise Hoffnung, bin ich gar nicht wirklich allein mit meiner Mauer? Vielleicht haben sich in den letzten Monaten ja noch mehr Menschen hinter einer ähnlichen Mauer verschanzt und fühlen sich von Zeit zu Zeit isoliert? Vielleicht sind sie gar dankbar, dass sie so bei diesem Wahnsinn nicht mitmachen müssen? Ist es nicht beruhigend, wenn man sich in den «eigenen vier Wänden», in seinem «persönlichen Reich» sicher fühlt? Seien wir doch ehrlich: wenn man sich in seinem Reich nicht sicher fühlen kann, wo denn dann?
Mit der Zertifikatspflicht schliesst die Politik Menschen wie mich vom öffentlichen Leben aus. Bis heute habe ich wissentlich keine Ansteckung mit dem Virus durchgemacht. Es ist aber auch nicht so, dass ich keinen Kontakt mit Personen hatte, die sich angesteckt haben. Warum nur respektiert die Politik nicht das gewichtige Argument, dass ich bereit bin, den Virus beziehungsweise die Erkrankung mit 99%-iger Wahrscheinlichkeit unbeschadet zu überstehen?
Wenn man MRNA impfkritische Menschen Schwurbler, Coronaleugner, Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger nennen darf, dann hätte ich im Grunde genommen auch ein paar Ideen, wie man diesbezüglich Impfwillige benennen könnte. Auf solch ein böses Spiel möchte ich mich aber nicht einlassen. Ich liebe es bekanntlich ja, Wortspiele zu kreieren, es ist mittlerweile sogar mein Beruf. Doch weil ich eben auch Menschen kenne, die geimpft sind, lasse ich es bleiben, denn ich möchte meinen Mitmenschen weiterhin mit Respekt begegnen. Einmal mehr wird mir mit diesen Gedanken bewusst, wie die Politik die Spaltung in unserer Gesellschaft vorantreibt und wie beängstigend das doch eigentlich ist. Wir leben in einer Demokratie und in einer solchen hat jeder Mensch Recht auf eine eigene Meinung und auch auf eine freie Meinungsäusserung. Blicke ich aber ich auf die letzten 19 Monate zurück, dann bezweifle ich das inzwischen stark.
Ich stehe zu meiner Haltung und zu meinen Überzeugungen und dank meiner Mauer, kann mir diesbezüglich auch keiner was anhaben. Ist es nicht doch ein gewaltiger Unterschied, ob man eine Mauer um sich herumbaut oder ob man mit (Ziegel-)Steinen herumwirft, insbesondere dann, wenn man im Glashaus sitzt?
Meiner Meinung nach bauen wir alle immer wieder einmal eine Mauer, aber diese grosse, ja fast unüberwindbare Mauer, die an jene Mauer in Berlin erinnert, die ist sehr gefährlich.
Dazu ein paar Gedanken: Wurde die Mauer in Berlin in ganz kurzer Zeit, im Dunkeln und bei Nacht gebaut? Oder gab es vielleicht schon damals kritische Bürger, die hinterfragten, was da passierte? Was wurde diesen besorgten Bürgern, welche die Politik kritisch hinterfragten, wohl geantwortet?
Aus der Geschichte wissen wir: nein – es wurde ihnen nicht im Voraus gesagt: «Ja – wir bauen eine Mauer, welche in Zukunft Westen und Osten trennt. Die Menschen im Osten werden in der Folge unter anderem für sehr lange Zeit nicht mehr verreisen dürfen. Und wenn schon, dann wird das nur mit einem Zertifikat, äh sorry, ich meine natürlich mit einem Visum, möglich sein. Sollte übrigens jemand die Mauer überwinden wollen, dann wird es Tote geben.»
Heute wissen wir, dass die besorgten Bürger von damals keine ehrlichen Antworten auf ihre Fragen bekommen haben. Und es ist ebenso eine traurige Tatsache, dass die Berliner Mauer 28 lange Jahre Osten und Westen trennte – zahlreiche Familien auseinandergerissen und zerstört wurden sowie viele Menschen auf dem Weg in die Freiheit erschossen wurden. Es wurde denunziert und vieles mehr. Ich sehe hier Parallelen zu heute und ich frage mich, wollen wir wirklich solch grausame Taten wieder in Kauf nehmen?
Isaac Newton hat einmal gesagt: «Die Menschen bauen zu viele Mauern und zu wenig Brücken. Wie recht er doch hatte.»