Eine Herausforderung der irrwitzigen Art
Bild/Illu/Video: Alice Gabathuler

Eine Herausforderung der irrwitzigen Art

Nano … ähm … was? NaNoWriMo.


«NaNoWriMo» ist die Abkürzung von «National Novel Writing Month». Eine Herausforderung der irrwitzigen Art, denn es gilt, in einem Monat 50'000 Wörter zu schreiben. Ins Leben gerufen haben dieses verrückte Projekt ein paar schreibbegeisterte Menschen in San Francisco, die fanden, es wäre doch toll, möglichst viele andere Schreibende dazu anzuspornen, sich voll ihrer Leidenschaft hinzugeben und in dreissig Tagen ihrem Ziel, ein Buch zu schreiben, näher zu kommen. Als Monat wählten sie den November. 1999 gingen sie damit an den Start und schufen innerhalb kurzer Zeit eine weltumspannende Plattform, der sich jedes Jahr mehr Menschen anschliessen.


Bei meiner ersten Teilnahme war NaNoWriMo ein Insidertipp in Schreibforen. Die meisten von uns waren sich einig: In einem Monat kann man kein Buch mit 50'000 Wörtern und mehr schreiben, höchstens einen ersten Entwurf. Ich zweifelte sogar an diesem Ziel, aber mich überzeugte die Grundidee von NaNoWriMo: Es ging darum, seinen inneren Kritiker auszuschalten, einfach zu schreiben, in den Fluss – Flow – zu kommen und nicht jedes Wort und jeden Satz zu hinterfragen. Damit würde ich genau das ausschalten müssen, was mir in Fleisch und Blut steckte: Schreiben, hinterfragen, löschen, besser machen, löschen, besser machen, in Details hängen bleiben, schleifen und feilen an der Sprache.


Der Gedanke, einfach einmal darauf loszutippen, ohne schon am ersten Satz eines Buches gefühlte Ewigkeiten hängen zu bleiben, war verlockend, zumal ich seit Monaten mit meinem ersten Buch auf Verlagssuche war und einen Anreiz brauchte, mich an eine weitere Geschichte zu machen. Also registrierte ich mich und pünktlich am ersten November stürzte ich mich ins Abenteuer. Ein Liebesroman sollte es werden, dramatisch wie Romeo und Julia. Nach wenigen Seiten wurde der Text zum Krimi. Ich hinterfragte den Richtungswechsel nicht, liess mich einfach von meiner Schreiblust leiten und stahl mir jeden einzelnen freien Moment zwischen Beruf, Kindern und Haushalt. Der Flow fühlte sich grossartig an. Ich lud jeden Abend meinen Wordcount auf die NaNo-Webseite hoch, das Total wuchs stetig an und irgendwann kam der Augenblick, in dem ich zu glauben begann, dass ich es schaffen könnte. Ich opferte Schlaf, ignorierte die Unordnung im Haus, vergass ab und an das Einkaufen und auch das Kochen, nutzte jeden freien Moment, so kurz er auch war. Am Ende kroch ich todmüde, völlig erschöpft, aber auch endlos glücklich am 30. November über die Ziellinie. Ich, die Schreibschnecke, war zum Superturbo geworden. 50‘000 Wörter in einem Monat. Yeah!


Natürlich kann man in 30 Tagen keinen druckreifen Text liefern. Aber als ich für mein erstes Buch schliesslich einen Verlag fand und der sich auch ziemlich bald einmal danach erkundigte, ob ich denn noch mehr schreiben wollte, da konnte ich ihnen mein NaNo Projekt vorschlagen. Und siehe da: Der Verlag war interessiert.


Guter Dinge nahm ich mein NaNo-Projekt aus der Schublade und begann es zu überarbeiten. Um es kurz zu machen: Vom Originaltext sind die zwei Hauptprotas und ihre Namen geblieben, da Setting, die Grundidee der Geschichte und ein paar ganz wenige Textpassagen. Alles andere habe ich total umgeschrieben und überarbeitet.


Nach meiner ersten Teilnahme habe ich jahrelang Bücher geschrieben, es blieb nie Zeit für NaNoWriMo. Im Schnitt wurde es ein Buch pro Jahr, manchmal waren es auch zwei. Bis ich beschloss, es ruhiger und langsamer anzugehen. Ohne den Zeitdruck eines Abgabetermins wurde ich wieder zur Schreibschnecke, als die ich angefangen hatte. Deshalb habe ich die letzten beiden Jahre wieder an NaNo teilgenommen, sozusagen als gesunden Motivationstritt in den eigenen Hintern. Beide Male habe ich die 50‘000 Wörter nicht geschafft, aber ich habe beide Male eine sehr gesunde Basis für ein Buch gelegt, eine Basis, auf der sich gute Geschichten entwickeln können. Mein Tipp für alle, die es nicht schon versucht haben: Nächsten Oktober registrieren und am 1. November loslegen.  

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