Warum erleben Personen Ereignisse unterschiedlich?
1. Das Sehen
Unser Auge nimmt einen Reiz von aussen auf, zum Beispiel einen Baum. Unsere Linse fokussiert den Baum und projiziert auf der Netzhaut das Bild des Baumes. Dort sitzen Rezeptoren, die das einfallende Licht in elektrische Reize umwandeln. Diese Rezeptoren sind Nervenzellen, die aktiv am Vorgang «Sehen» beteiligt sind. Sie sind über die Linse und der Hornhaut direkt mit der Aussenwelt verbunden und wandeln sozusagen die Aussenwelt um, damit unser Inneres (unser Gehirn) das Aussen bestehende erkennt. Somit müssten alle, deren Linse und Rezeptoren voll funktionsfähig sind, das Selbe sehen. Bis dahin ist dem auch so. Allerdings sind von 100% der Nerven, die am Vorgang «Sehen» beteiligt sind, nur 17% davon diese Rezeptoren, die den Reiz des Lichtes in Elektrizität umwandeln. Die anderen 83% der Nerven, die für das Sehen zuständig sind, sind Neuronen und liegen in unserem Gehirn. Und dieses kombiniert die Informationen, die es von den Rezeptoren der Netzhaut bekommt, zu einem für das Gehirn subjektiv sinnvollen Gesamteindruck.
So empfinden Personen, die den Baum «sehen» und erschöpft vom langen Laufen sind, den Baum als freudige Abwechslung vom Marsch in der Sonne und entscheiden sich womöglich dazu im Schatten des Baumes eine kurze Rast einzulegen. Andere, deren Grossvater Förster war, erinnern sich beim Anblick ein und desselben Baumes an den kürzlich verstorbenen Grossvater und werden traurig. Wieder andere sind starke Allergiker und assoziieren mit dem Baum heftige Niesattacken, was zu einem spontanen Fluchtimpuls führt.
So löst ein und derselbe Baum bei verschiedenen Personen unterschiedliches Empfinden und Erleben aus, was wiederum zu unterschiedlichen Handlungen führt.
Die hauptsächlich Verantwortlichen für unsere Aufnahme von äusseren Reizen sind die Neuronen im Gehirn. Und diese sind vernetzt mit anderen Gehirnregionen, die durch unsere bisherigen Erfahrungen und Prägungen «programmiert» sind. Das heisst aufgrund des Zusammenspiels der verschiedenen Gehirnarrealen und unserer «Programmierung», macht sich unser Gehirn macht seine eigene Realität und ordnet Dinge für uns ein.
2. Phantomschmerzen
Oft hat man schon darüber gelesen, dass Menschen, denen Gliedmassen wie Arme, Beine, Hände oder Füsse amputiert werden mussten, trotzdem in diesen Gliedmassen Schmerzen oder starken Juckreiz verspürten.
Leider ist das keine Spinnerei, sondern traurige und unangenehme Wahrheit für die Betroffenen. Denn nicht das Bein entscheidet, ob es da ist oder nicht, sondern das Gehirn. Da das Gehirn der Schaffer unserer Realität ist, kann es auch dafür sorgen, dass man amputierte Gliedmassen spürt. Erst wenn das Gehirn gelernt hat, dass das Bein verschwunden ist, ist es auch tatsächlich verschwunden (und bereitet keinen Ärger mehr).
Wie können wir nun diese Erkenntnisse für uns nutzen?
Zunächst können wir eventuell etwas gnädiger unseren Mitmenschen gegenüber werden, wenn wir etwas anderes erleben oder empfinden als sie. Keiner hat recht und alle haben recht. Jeder nimmt Dinge, Situationen und Menschen unterschiedlich wahr.
Man sollte sich daher hin und wieder die Frage stellen, ob es wirklich notwendig ist, sich über Details zu streiten und auf seiner «Wahrheit» zu bestehen.
Ein anderer Aspekt ist: Wir sind die Schaffer unserer eigenen Realität und können daher aus allem immer das Beste herausholen. Dafür müssen wir uns bewusst machen, was wir erleben und wie wir es erleben. Wie fühle ich mich in einer bestimmten Situation und was könnte das Gefühl ausgelöst haben? Für den Anfang reicht es vollkommen aus, unser Empfinden wahrzunehmen, ohne es zu hinterfragen.
Dort wo wir unsere Aufmerksamkeit hinlenken, ist unsere Wahrnehmung am grössten. Das heisst, wenn wir uns auf schlechte Nachrichten, Leute, die uns nicht gut tun und so weiter konzentrieren, nehmen wir diese Dinge auch dominanter wahr als Dinge, die uns vielleicht viel besser tun würden.
Daher könnte man sich immer mal wieder die Frage stellen: Auf was fokussiere ich mich eigentlich und ist das gut für mich?