Von Weihnachten, Traditionen und Versöhnung
Dafür gab es zwei Gründe. Zum einen wünschte sich meine mittlerweile 6-jährige Tochter, an Weihnachten in die Kirche gehen zu dürfen (und das, wo ich doch so dafür kämpfte nicht mehr zu müssen...) und zum anderen meine Freundin Jessie. Sie erzählte mir, dass Sie am 1. Weihnachtsfeiertag in der reformierten Kirche in Buchs singen wird. Da dachte ich mir, wenn ich dieses Jahr also wieder traditionell in die Kirche gehe an Weihnachten, dann doch gerne da, wo es zumindest gute Musik geben wird.
So kam ich also pünktlich um 10 Uhr morgens bei der reformierten Kirche in Buchs an und betrat zum ersten Mal seit mindestens 15 Jahren an Weihnachten wieder eine Kirche. Es war seltsam, ich stand vor dieser grossen rosa Kirche mitten im Zentrum, es ging einige Stufen nach oben und mit jeder Stufe, die ich hochstieg, stieg auch meine Verunsicherung. Es kamen mir seltsame Gedanken, wie zum Beispiel kann ich überhaupt noch beten, oder kenne ich noch all die «Regeln» in der Kirche...
Ich packte also alle meine komischen Gedanken zur Seite und betrat die Kirche. Allerdings sollte ich mich erstmal gewaltig wundern. Denn es war nicht, wie damals in meiner Kindheit, eine alte muffige Kirche, mit fettigen Gesangbüchern rechts und links nach dem Eingang. Im Gegenteil. Es war gross, die Luft war gar nicht muffig und rechts standen keine Gesangbücher zum Ausleihen, sondern ‘ne Kaffeemaschine mit Bistro Ecke. Vorne der Altar war modern dekoriert und es hing ein riesiger Flatscreen an der Wand... Ich war überwältigt.
Aber wohl vor allem damit beschäftigt, meine Erinnerungen von früheren Kirchenbesuchen mit der Kirche 2019 in Einklang zu bringen. Der Pfarrer eröffnete also den Gottesdienst und er sprach über ein Mikrofon, welches mit der Soundanlage verbunden war. Eine Frau regelte die Lautstärke hinten in der Kirche an einem Mischpult. Es wurde viel miteinander gesungen, der Pfarrer hielt seine Predigt. Dies ganz traditionell natürlich über Weihnachten und zwar über das Ziel von Weihnachten... – Die Versöhnung.
Zwischendurch durften wir allerdings auch einfach nur die wunderbare Stimme von Jessie Hardegger, die Stimme von «Jessie & the gents» geniessen. Begleitet wurde sie am Klavier von Marco Schädler und an der Gitarre von Rick Noorlander.
Nach dem Gottesdienst mit Abendmahl, erklärte der Pfarrer Marcel Wildi, dass man die heutige Predigt auch auf CD bestellen kann und dass er jeden ganz herzlich dazu einlädt, hinten bei der Bistro Ecke noch einen Kaffee oder auch ein Wasser oder Saft zu trinken. Ich war sehr überrascht, denn zum einen kannte ich es nicht, dass man nach dem Gottesdienst diesen auch auf CD mit nach Hause nehmen kann und zum anderen habe ich noch nie in einer Kirche nach dem Gottesdienst zusammen gesessen und Kaffee getrunken.
Es war eine herzliche und lockere Atmosphäre und so kam es, dass man spätestens beim Anstehen an der Kaffeemaschine miteinander ins Gespräch kam.
Zuerst kam ich mit meiner Freundin Jessie ins Gespräch und fragte sie, wie es überhaupt dazu kam, dass sie heute hier in dieser Kirche singt.
Da erzählte sie mir ihre ganz persönliche Lovestory...
Ähnlich wie ich heute, wurde sie vor gut zwei Jahren von einer Freundin eingeladen, mal in diese Kirche zu kommen, denn das Klavier und Orgelspiel sei hier so besonders schön. Ihr gefiel, was sie hörte und so lernte sie bald darauf auch den Mann hinter diesen Klängen kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick und sie wurden ein Paar.
Kurze Zeit später kam ich noch mit dem Pfarrer dieser für mich aussergewöhnlichen Kirche ins Gespräch. Ich erzählte ihm, wie beeindruckt ich bin, von dieser für mich doch sehr modernen Kirche. Er kam selbst ins Schwärmen, über seinen modernen Arbeitsplatz, an dem keine alten barocken Taufbecken stehen, sondern alles sehr flexibel und modern ist. Auch dass man die Heizung hier via Handy von zu Hause aus bedienen kann, oder er nicht nur einen grossen Flatscreen für die Besucher hat, sondern einen zweiten hinter den Besuchern, für sich selbst.
Er erzählte mir auch, dass er schon vor über 20 Jahren seine Predigten ausgedruckt aushändigte oder dann später auf Kasetten für seine Besucher aufgenommen hat. Mittlerweile erreicht er über die CDs fast mehr Menschen, als er Kirchenbesucher hat. Darum ist seine Vision auch zeitnah einen Podcast zu erschaffen. Zum Abschied gab er mir sogar noch seine Visitenkarte. Ein Pfarrer mit eigener Visitenkarte, ich bin mir ganz sicher, diese Kirche ist im 21. Jahrhundert angekommen und ich darf das noch realisieren.
Abschliessend würde ich sagen, ich habe mich mit der Tradition Weihnachten und Kirche versöhnt...also ganz nebenbei habe ich das Ziel von Weihnachten selbst erfahren.