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«Soul Deception» im Soundcheck

Doch man muss sie mögen, diese gewisse Art der Mischung aus Melodic Death und einer Spur Thrash, die dem ganzen zwar eine spezielle Eigenheit verleiht, den geneigten Hörer jedoch zeitweise verwirren kann. Obwohl das ganze Machwerk zwar schön treibend nach vorne geht, scheint es sich zwischenzeitlich auf den selbstauferlegten Wegen verlaufen zu wollen oder besser: zu stolpern. Somit bleibt die eigentlich gelungene Kombination der verschiedenen Stile der 5 Musiker aus Chur zwar stets für einen unerwarteten Einwurf gut, wirkt aber gesamt gesehen etwas unstet und kommt des Öfteren vom roten Faden ab.  


Gleich zu Beginn und noch vor dem Einlegen der CD fällt mir dabei auch nach mehrmaligem Hören ins Auge: Die Tracklist oder besser: die Längen der einzelnen Tracks, welche eher an bekannte Doom-Größen erinnern. 5 Titel auf 34 Minuten sind zumindest im Rahmen der hier abgesteckten. Klingt spannend und traf damals auf Anhieb meinen Nerv, denn: leider lassen sich viel zu wenige Bands Zeit mit der Entfaltung ihrer Ideen. Und das trotz vehementem Vorwärtsdrang von der ersten bis zur letzten Minute der Scheibe.


Diese gestreckten Titellängen spiegeln sich auch gleich beim ersten Track «On Millions Of Tongues» wieder. Nach einem irgendwie nach entfernt 80er Jahre klingendem Einstieg überschlägt sich das Ganze recht schnell und geht mitreißend-treibend voran. Dabei bleibt auch der Drive der Gitarren im Ohr haften und sorgt für einen flotten Flow des ganzen Stückes (…was sich aus Erfahrung zumeist auch auf die parallel zum Hören ausgeführte Tätigkeit überträgt, wie zum Beispiel Auto fahren…). Im weiteren Verlauf des über sieben Minuten langen Stückes erfreut sich das Ohr an den teilweise konträren Drum- und Gitarrenpattern und den untereinander wechselnden Geschwindigkeitsmustern, die dabei auch gerne zeitweise im Offbeat landen und das Ganze somit nur noch interessanter gestalten. Auch die gezogenen Solis mit den klassisch-triolischen Doublebass-Sequenzen fehlen nicht. Geneigte Takt-Mitzähler kommen hier voll auf ihre Kosten. Gedeckelt wird der erste Titel mit dem erhofft aggressiven Growling-Gegrunze, welches sich teils dialogisch perfekt in die musikalische Landschaft fügt.


Auch im ganze 14 Minuten und 37 Sekunden andauernden Zusammenschluss von «Red Feather» und «Nocturnal» übernimmt das aggressive Gebelle die Aufmerksamkeit des Hörers und stürmt, die Oberhand gewinnend, mit den gewaltig einsetzenden Gitarren nach vorn. So besteht bereits ab der ersten Sekunde keine Zeit zum Verschnaufen. Über die gesamte Länge des Tracks bleiben hauptsächlich die eingängigen Gesangspassagen im Ohr. Für eine gekonnt gesetzte, wenn auch leicht gezwungen-wirkende Abwechslung sorgen hierbei auch die fast schon narrativen Spracheinschübe, welche das Gesamtgefüge für den Hörer jedoch angenehm auflockern. Auch die bereits erwähnte Zwiespältigkeit durch die Thrash-Einschläge kristallisieren sich hier eindeutig heraus. Für meinen Geschmack positiv gestalten sich ausserdem die abwechslungsreichen und abschnittsweise stark konträren «Akte» im Liedverlauf, welche das ganze fast als musikalisches Bühnenstück wirken lassen. Trotz einer Titellänge, die wir bestenfalls von Doom-Grössen wie Ahab kennen, gestaltet sich dieser zweite Titel als immer wieder spannend zu Hören und bleibt auch nach mehrfachem Hören mein Favorit der Platte. Nicht zuletzt durch den schönen melancholisch-melodischen Abgesang der letzten Minuten.


Das im Vergleich schon fast knapp gefasste «Masquerade of Society» erfreut bereits zu Beginn mit interessant gesetzten Thrashelementen, aber auch fast schon progressiv wirkenden Gitarrenriffs und Drumpattern. Es ist schon fast erstaunlich, das alles mal so nebenbei unter einen Hut zu bekommen und trotzdem mitreissend zu gestalten. Doch es dauert nicht lange, da schlägt dem geneigten Hörer das unter anderem von Amon Amarth bekannte Konzept von Geknüppel und rhythmisch fast exakt eingreifend gesetztem Gesang entgegen. Das Ganze gestaltet sich in keinster Weise negativ, überrascht aber eben auch niemanden mehr. Obwohl nach dem ersten Drittel einige wirklich gut gesetzte Riffs die bereits bekannte Klangwelt auflockern und für gute Laune sorgen wirkt das Schlagzeug einfallslos und irgendwie deplatziert. Die von vielen gefürchtete «Kenn-ich-schon»-Stimmung macht sich leider schnell breit und übertüncht die sonst solide Arbeit an den Gesangs- und Gitarrenfronten. Schade eigentlich. Leider bleibt dieser Eindruck -einmal aufgekommen- auch bis zum Ende stehen. Da helfen auch die eigentlich schicken Staccato-Einsätze nicht weiter.


Zuguterletzt freuen wir uns auf «Petrified Thoughts», dem Abschluss der Scheibe. Im Gegensatz zum vorherigen Track scheinen die Jungs hier ihre Neugier auf Neues wiederentdeckt zu haben und stellen uns ihr bereits in den ersten Sekunden eine auf allen Ebenen teils experimental wirkendes Gesamtkonstrukt vor. Dieser Eindruck blieb mir damals wie heute bestehen, vor allem angesichts der zeitweise eingestreuten, fast an Black Metal erinnernden Gitarrenriffs, die das Lied hier und da durchschneiden. Im besten Falle obskur wirkt das Ganze wieder mit bereits kurz danach wieder auftauchenden Trashelementen, welche zwar das ganze Hin und Her aber gar nicht so unpassend abrunden.


So neigt sich auch der letzte Titel dieses Albums zu Ende und trotz des «Alters» der CD ertappe ich mich selbst an diesem Punkt das ein oder andere Mal bei dem Gedanken, wie dieses als Gesamtwerk nun genau einzuordnen sei und was man denn da gerade gehört habe…


Rollen wir das Ganze von einer anderen Seite auf: Für mich persönlich schwingt dieses Album in der Kategorie klassische Autofahrmusik. Straight foreward, aber dabei verspielt genug; technisch solide, aber mit genug kleinen Details um eben doch nochmal genauer hinzuhören. Gift für den Gasfuss, der damit immer weiter nach Unten wandert.


Aber bei all den positiven Worten: vielleicht wäre es bei noch kommenden Projekten dann doch besser, wenn sich die erfolgversprechende Truppe auf ihre teilweise echt starken Riffs fokussieren und ihrem treibenden Rhythmus treu bleiben würde, anstatt die zunächst sympathischen Liedlängen nur mit bekannt wirkendem Füllmaterial zu bestücken.


Fairerweise muss man dazusagen: Es handelt sich um das Debütalbum der Metallfreunde, also an dieser Stelle sei die vorgebrachte Kritik wohl eher als gut gemeinter Hinweis zu verstehen. Trotz all der umfassenden Stilblüten sei aber jedem, der sich (und hier füge ich mich der gängigen Meinung) im Terrain In Flames wohl fühlt gesagt: Hört mal rein, einige von euch werden sich hier echt wohl fühlen.

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