Naturgewalt
Das Turnier ist in vollem Gange, als über das Toggenburg eine dunkle Wolke auf uns zu kommt. Es geht nicht lange fallen die ersten Tropfen, aus denen schnell ein ergiebiger Regen wird. Es blitzt und der unmittelbar darauffolgende, gewaltige Donner lässt mich zusammen zucken. Das Gewitter ist genau über uns. Die Speakerin macht eine Durchsage. Das Turnier wird unterbrochen. Zwei Mannschaften stehen immer noch auf dem Platz. Es scheint, dass sie ihren Zug noch zu Ende bringen wollen. Oder haben sie die Durchsage gar nicht gehört?
Jetzt geht alles schnell. Aus dem Regen wird Hagel, der Wind bläst heftig,
rüttelt und zerrt am Zelt. Heftig, die Verankerungen drohen aus dem Boden gerissen
zu werden. Männer stemmen sich gegen die Zeltpfosten. Mütter und Väter beugen
sich über ihre und andere Kinder. Schreien, entsetzte, verzerrte Gesichter, weinen,
Rufe, lautes Getöse. Ich bemerke wie Hagel durch ein Loch im Zeltdach spickt. An
den Zelträndern bilden sich innert Kürze riesige, schwere «Taschen» voll mit Wasser
und Hagel. Alles ist irgendwie in Bewegung.
Hält das Zelt? Und was wenn nicht?
Die Samariter kümmern sich bereits um die erste Kopfwunde. Alle die von draussen
ins Zelt kommen sind klatschnass. Es ist ihnen anzusehen, dass es dort noch
viel schlimmer ist als hier drin. Sie sehen sich nach Familienangehörigen oder
Kollegen um. Einer öffnet seine Tasche um sich trocken anzuziehen, aber
Fehlanzeige alles voller Hagelkörner.
Und dann endlich lässt der Sturm etwas nach.
Die Organisatoren rufen alle, die ihre Angehörigen oder Gruppe zusammen haben und nicht verletzt sind auf, nach Hause zu gehen. Wir folgen der Aufforderung.
Draussen steht fast nichts mehr an seinem Platz. Der Speakerwagen ist
umgestürzt, die Samariter sind nun dort im Einsatz. Die grossen Sonnenschirme
sind zerfetzt, die kleinen davon geflogen. Das Küchenzelt ist weg. Der
Kasseninhalt liegt verstreut auf dem Boden. Gerade kommt der Krankenwagen mit
Blaulicht und Sirene angefahren, dahinter folgt ein Polizeiauto. Die Velos sind
unter einem umgestürzten Baum begraben. Der Weg ist voller Hagelkörner und
zerhacktem Laub. Wir steigen ins Auto und fahren nach Hause, was sich irgendwie
komplett falsch anfühlt und trotzdem richtig ist.
Wieder trocken angezogen sitzen wir am Tisch und wissen nicht was tun. Der Regen hat aufgehört, es ist irgendwie so still. Und alle was man tun könnte ist belanglos im Gegensatz zu dem was einem gerade wiederfahren ist. Steht in keinem Verhältnis was die Helfer:innen vor Ort noch leisten und was es dort noch zu tun gäbe.
Natürlich bin ich froh darüber, alles unbeschadet überstanden zu haben und trotzdem fühle ich mich seltsam leer. Auch noch am Tag danach. Alles ist anders gekommen als gedacht. Wieder einmal hat uns die Natur vor Augen geführt wie klein und machtlos der Mensch ist. Und das wird auch in Zukunft so bleiben.