Musikperlen: «Ben Boo How – 6» (2019)
Ben Boo How ist ein musikalisches Projekt von Cornelius Raeber, welchem ich in meiner Karriere immer wieder begegnet bin und hoffentlich auch noch oft begegnen werde. Ich würde ja behaupten, es ist eine Freundschaft auf Augenhöhe, aber der gute Herr aus Landquart ist wirklich ziemlich gross gewachsen…
Das erste Mal über den Weg gelaufen bin ich ihm vor sehr vielen Jahren. Er hatte damals, ich denke es müsste mindestens 15 bis 20 Jahre her sein, in diesem alten Zentrum bei der heutigen Post in Landquart einen CD-Shop. Schon als kleiner Junge träumte ich von meinem eigenen Laden voller Tonträger und dem damit verbundenen Austausch mit der lokalen Musikszene und anderen Musikfreaks. Raeber hat sich diesen Traum selber erfüllt, musste dann aber nach ein paar Jahren leider schliessen, da mein späteres Lehrgeschäft Media Markt in Chur eröffnete und praktisch alle CD-Geschäfte in der Umgebung dem Erdboden gleich machte. Mein Traum vom eigenen Laden mit Musikartikel begrub ich mit der Zeit, da durch Napster und das Internet die Möglichkeiten für diesen Wirtschaftszweig immer geringer wurden.
Trotzdem zog es auch mich im Jahr 2008 in den Media Markt in Chur. Ich startete meine Lehre im Consumer Electronics-Bereich, obwohl ich eigentlich viel lieber mit Livio Wellinger, Rouven Niederer und Patric Mauti in der Tonträgerabteilung angefangen hätte. Es war eine wilde Zeit, denn ich veröffentlichte damals nicht nur meine erste Kompilation, sondern ich kaufte auch selber Unmengen an CDs. Musikfreaks wie Rouven oder Livio wussten stets sehr viele Anekdoten und kauften auch selbst immer sehr grosse Mengen ein. Dies motivierte mich zusätzlich eine immer komplettere Sammlung anzulegen und praktisch meinen gesamten Lohn für Musik auszugeben. Doch zurück zum Thema…
Cornelius Raeber lernte ich bereits 2005/2006 persönlich kennen, als ich noch die Fachmittelschule in Schiers besuchte. Ich weiss es nicht mehr genau, wieso ich einmal bei ihm zu Hause war, aber wahrscheinlich haben wir damals einfach wie immer über Musik diskutiert. Viele Dinge aus diesen Jahren verblassen ein wenig mit der Zeit, was mir aber geblieben ist, ist dass er mich und meine Bands immer leidenschaftlich unterstützt hat. Wir beide hatten schon damals ein Faible für das Schreiben und den Journalismus. Während ich oft unkonventionelle Wege nahm, ist er eigentlich seit Jahren einer der beste Schreiber im Medienhaus Chur. Im Jahr 2010 schrieb er mal eine Plattenkritik über «Bock uf Rock Vol. III» für das Bündner Tagblatt, welche auch in mir den Drang weckte, tiefer in die Materie Musik einzutauchen. Auch wenn wir musikalisch uns oft in gänzlich unterschiedliche Richtungen entwickelt haben, hat mich seine Arbeit als Musikjournalist mit dem gewissen Feingespür immer sehr inspiriert. Seine fundierten Kritiken animierten mich selbst auch grosse Geschichten zuerst bei GRHeute und nun auch bei Qultur zu realisieren.
Heute gibt es kaum eine musikalische Veranstaltung an der wir nicht aufeinandertreffen und kurz miteinander über unsere gemeinsame Leidenschaft plaudern. Oft wirkt es für die Szene ja so, dass ich einfach nur ausprobiere und ohne gross zu überlegen Musik raushaue. Cornelius sah dies immer ein wenig anders, bewunderte meinen Werdegang und brachte mir stets Respekt entgegen für meine Diskografie und mein Schaffen. Auch er selbst hat in seiner Karriere einige zeitlose Knaller veröffentlicht. Beispielsweise bei den Romanischen Rockpionieren von Hades hat er in die Saiten gegriffen.
Inzwischen betreibt der Kreative seit ein paar Jahren das Projekt Ben Boo How, bei dem er in einer gewissen Regelmässigkeit ein paar neue Perlen veröffentlicht. Weil dies einerseits ziemlich grandiose Tracks sind und weil er mir diese immer über meine Schwester Heidi zukommen lässt, dachte ich, es ist allerhöchste Zeit dem sanften Riesen eine Musikperle zu widmen und mich vertieft mit seinem 2019-Werk mit dem schlichten Titel «6» zu beschäftigen. Danke für die vielen anregenden Gespräche und die Inspiration, Cornelius!
«Regina»
Ist bluesig und hat einen Groove, der sofort in die Beine fährt. Als nach einer halben Minute die ganze Band einsetzt, erhält das Werk zusätzlichen Druck nach vorne und mehr Tiefe. Das schmachtende und sehnsüchtige Stück gefällt sofort und ist live sicher ein Garant für rockige Momente.
Etwas entspannter klingt die Ballade «Confused», welche sich in Melancholie sullt und trotzdem nie so ganz die Hoffnung verliert. Es ist ein ziemlich altes Stück, welches im Oktober 1998 geschrieben wurde. Hier wurde ihm durch eine frische Aufnahme neues Leben eingehaucht, Gott sei Dank. Das Gitarrensolo ist wunderschön und geht wie auch der Rest des Songs sofort ans Herz.
Die akustische Nummer «Nellah» ist ein etwas trauriger Reggae, bei der mir der holzige Klang der Instrumente sofort sehr zusagt. Obwohl die Rhythmik die Betonung auf den Offbeat setzt, spürt man auch hier, wie gerne die Herren Sergio Castelberg und Cornelius Raeber doch den Blues zelebrieren.
Da die bisherigen Texte von Cornelius stammen, bin ich besonders auf «Walking along the Tracks» gespannt, da dieser aus der Feder von Sergio stammt. Es ist ein schunkelnder Track voller blauer Noten und einer gewissen Schwarzmalerei. Der Protagonist versucht seine Traurigkeit durch das Spazieren zu verlieren, was ihm nicht wirklich gelingt. Es gibt eben solche Tage, an denen man sich niedergeschlagen fühlt und wenig zu einer Besserung beiträgt.
Sehr tanzbar ist das dynamische «Catrina». Die angezogene Geschwindigkeit und die Bläserspiele hauchen der Nummer eine gewisse humorvolle Note ein, die mir sehr zusagt. Diese Nummer unterscheidet sich sehr von dem bisher gehörten Tracks, was von mir vor allem eines gibt: Zwei Daumen nach oben.
«A little Life» ist auf der CD in Form einer Liveversion verewigt. Das mag ich immer sehr, wenn Acts sich dazu entscheiden einen kurzen Mitschnitt ihrer Bühnenaktivität für die Nachwelt zu konservieren. Es ist ein schöne Folkgeschichte, die so auch sehr gut an einem Lagerfeuer funktionieren würde. Grandios!
Das letzte Lied der CD ist die Nummer «Pepenadores». Diese könnte auch gut von einem Tom Waits oder Bob Dylan stammen. Hier spürt man doch eine gewisse Art von Tribut, den die Herren ihren Helden zollen. Ausserdem ist das Lied voller Fernwehgefühle, die jeder nachvollziehen kann. Wundervoll.
Schlussfazit:
Die «6» des Duos Ben Boo How ist ein abwechslungsreiches Werk, welches ohne kommerzielle Absichten die handgemachte Musik voller Herzblut feiert. Ein bisschen Folk, eine Prise Country und viele blauen Noten machen die CD zu einem spannenden Trip durch die musikalische Welt von Cornelius Raeber und Sergio Castelberg. Ich freue mich schon sehr auf die «7» und werde mir dann sicher mal alle am Stück zu Gemüte führen.
Herr Raeber, wie wäre es, wenn wir danach eine neue gemeinsame Serie starten?