Mit Leib und Seele für die Milchwirtschaft
Seit zwei Generationen betreibt die Familie Joos
auf den Feldern kurz vor der Untervazer Dorfeinfahrt ihren landwirtschaftlichen
Betrieb. Seit 1995 hat Sohn Beat die Geschäfte vom Vater mit dem gleichen
Vornamen übernommen. Anders als seine Eltern sei er nicht so der Typ für
Wochenmärkte gewesen, sagt Beat Joos. «Wenn man Freude und Interesse an seiner
Arbeit hat, kann einem praktisch alles gelingen. Doch der grosse Fokus auf das
Gemüse verbunden mit den ständigen Besuchern auf dem Hof, das war einfach nicht
meine Welt. Auch wenn wir immer noch 10 Hektar Gemüse anbauen, mein Herz
schlägt ganz klar für die Arbeit mit den Kühen.»
Das Jonglieren mit den Zahlen
Bei den schwankenden Milchpreisen sei es unabdingbar, Freude an der Tätigkeit zu haben, denn in Stunden sei das Führen ihres Betriebs gar nicht rechenbar, sagt Petra Joos lächelnd. «Wir hatten da letzthin die Diskussion mit der Versicherung, wie viel Stunden Arbeitszeit, dass wir hier im Betrieb leisten und haben bemerkt, dass wir nur einen Bruchteil davon wirklich auch aufschreiben konnten.» Wenn die junge Familie eine ihrer raren Ferien mache, sei es immer im Radius von eineinhalb Stunden vom Hof weg. So bestehe die Möglichkeit, wenn etwas sei doch rasch reagieren zu können. «Wir hatten beispielsweise mal den Fall, dass die Heizung des Hühnerstalls ausfiel und wir dann aus den Skiferien in der Nacht nach Hause fahren mussten.» Obwohl das Arbeitspensum der Familie Joos oft die klassische 42-Stunden-Woche locker übersteigt, spürt man nie Frust, wenn sie von der Arbeit mit den Tieren sprechen. Das Schöne am Beruf sei eben, dass man sein eigener Chef sein könne, gibt auch einer der zwei bei ihnen beschäftigten Lehrlinge zu Protokoll, welcher kurz daraufhin den beiden in der Nacht geborenen Kälbern den «Schoppen» gibt. Doch trotz aller Freiheit und Freude an der Arbeit, auf die lockere Schulter zu nehmen ist der Beruf des Bauern in der heutigen Zeit trotzdem nicht. Die Gefahr mit den hohen Investitionen sich zu «überlüpfen» oder auch in ein Burnout zu laufen, sind wohl in keinem anderen Berufsfeld so gross, wie in der Landwirtschaft. Dies beobachtet auch Beat Joos, der auch eine hohe Anzahl an Aussteigern kennt. Absolute Zahlen gebe es zudem in diesem Job nicht, sagt Petra Joos. «Auf den ersten Blick wirken natürlich die 1'150'000 Liter Milch, die hier jährlich produziert werden, nach sehr viel. Doch wenn man die ganzen Ausgaben für den Unterhalt, das Personal und die Maschinen sowie die schwankenden Milchpreise miteinrechnet, relativiert sich das sehr.» Auch ihr Mann Beat sagt, dass man einer solchen Tätigkeit nicht nur aus finanziellen Absichten nachgehen sollte. «Zudem ist es sehr saisonal abhängig, wie viel Geld man für den Liter Milch kriegt. Im Sommer, wenn viele Kühe auf der Alp sind, gibt es einen besseren Preis, im Winter, wenn keine Milchknappheit mehr herrscht, wird er wieder nach unten korrigiert. Die Industrie und der Bund bestimmen, wie wirtschaftlich wir arbeiten können. Das führt vor allem beim Thema Direktzahlungen zum Teil zu speziellen Auswüchsen.» Die meisten Betriebe funktionieren nur noch dank Direktzahlungen, was eine starke Verzerrung des Marktes mit sich bringe.
Klimaneutrale Landwirtschaft
Die Berechnung der Klimabilanzen im aktuellen Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden», hat aufgezeigt, dass die Produktion von Milch – umgerechnet auf produzierte Nahrunsmittel – weniger Kohlenstoffdioxid ausstosse, als die häufig gelobte Mutterkuhhaltung oder andere extensive Tierhaltungsformen. Doch diese Resultate, die wahrscheinlich auch die Auftraggeber überrascht hätten, werden kaum öffentlich diskutiert, was Joos schon ein bisschen merkwürdig findet, denn immerhin machen im Projekt 50 Betriebe mit und die Öffentlichkeit habe ein Recht auf die Ergebnisse. Er hofft, dass dies spätestens bei Abschluss des Projekts nach fünf Jahren, wo die Bilanzen bei Projektstart und -ende verglichen werden, nachgeholt wird.
Ein Herz für die Tiere
Beat und Petra Joos sind mit Leib und Seele Bauern. Es fühle sich trotz den hundert Kühen überhaupt nicht nach Industrie an, sagt die engagierte Mutter und Landwirtin. Zum Beweis, dass dies keine leeren Floskeln sind, nennt sie auf die Frage nach der Kuh auf Platz 77 blitzschnell deren Namen und auch eine Kurzbeschreibung, wie das Tier denn aussieht. Man merkt es sofort, die Kühe sind der Familie Joos sehr ans Herzen gewachsen und diese Freude an den sanften Wesen, ist jederzeit im grossräumigen Stall spürbar. Die Pflege, Haltung und die richtige Fütterung seien essentiell, sagt Petra Joos. «Kühe brauchen unzählige Spurenelemente, Eiweisse, Vitamine und Energie, um Milch produzieren zu können. Es hängt alles zusammen und wenn jetzt beispielsweise nicht richtig gefüttert wird, braucht das Tier viel Energie für die Verdauung, welche ihr dann wieder bei der Milchproduktion fehlt. Drum ist wichtig, dass alles stimmt.» Ein klarer Unterschied zur Massenproduktion ist bei der Familie Joos zudem noch, dass sie gewisse Kühe auch schon zehn Jahre und länger haben. «Es ist unser Hauptziel durch optimale Versorgung möglichst langlebige Kühe bei uns zu haben.» Man merkt es sofort, die Arbeit mit den Tieren ist es, die Petra und Beat Joos viel zurückgibt, denn ihre Tierliebe schimmert bei all ihren Tätigkeiten immer wieder durch. Sie ist wohl auch der Grund, weshalb sie ihre doch hin und wieder sehr strenge Arbeit mit einer gewissen Leichtigkeit nachgehen.