Leben mit multipler Sklerose
Wann stellte man MS bei dir fest?
Im Herbst 2011, nachdem ich meinen ersten Schub hatte der nachweislich stattfand (anhand MRI) und meine Symptome erklärt hat (korrekte befallene Region im Gehirn). Die weiteren Tests (Lumbalpunktion, Entnahme von Hirnwasser aus dem Nervenkanal im Lendenwirbelbereich / Kontroll-MRI nach drei Monaten / diverse Bluttests), haben den Verdacht dann erhärten lassen, umso mehr als in der Zwischenzeit bereits der nächste Schub stattfand.
Wie hast du darauf reagiert? Was waren deine ersten Gedanken dazu?
Nachdem ich den Bericht des ersten MRI gelesen habe, war ich bereits vorbereitet, als es um die Besprechung mit der Neurologin ging. Meine Mutter, sie ist Krankenschwester, hatte den grösseren Schock, da ihr klar war, dass die Diagnose sehr einschneidende Auswirkungen auf mein Leben haben kann. Mir eröffneten sich die Einflüsse noch nicht in gleicher Weise. In erster Linie war für mich die damals nahe liegende Variante der Behandlung mittels zweitäglich durchzuführender Injektionen ziemlich gewöhnungsbedürftig.
Wie macht sich die Krankheit in deinem Leben bemerkbar?
Sicherlich hat sich ab diesem Zeitpunkt nach und nach meine Grundeinstellung merklich verändert. Dies erst eher unbewusst, ehrlich gesagt. Ich sehe so einiges etwas anders priorisiert als viele andere und lebe nach den Mottos «schlimmer geht immer» und «gleich getan ist Zeit gespart». Puncto Einschränkungen darf ich mich glücklich schätzen, sicherlich auch aufgrund der Medizin, welche massgebliche Fortschritte gemacht hat. Die Ungewissheit bezüglich der Medikation, ich bin inzwischen auf eine orale Version umgestiegen, welche jedoch in meinem Fall die Leber belastet, beschäftigt mich zeitweise doch ein bisschen. Ein weiterer Therapieumstieg hätte wiederum Unsicherheit bezüglich deren Wirksamkeit bzw. anderer Nebenwirkungen zu Folge. Insofern hat wohl jeder so seine eigenen Themen, mit denen er sich mehr oder weniger beschäftigt, da alles immer sehr personenspezifisch ausfällt.
Was erwartest du vom Leben?
Ich geniesse mein Leben und habe es mir nicht unbedingt einfach aufgebaut. Familie mit Kindern, Eigenheim, Weiterbildung trotz 100% Anstellung…und auch Hobbies sollen nicht zu kurz kommen, um einen gewissen Ausgleich zu schaffen. Der Stress, um es negativ auszudrücken, ist eigentlich allgegenwärtig. Ich sehe die regelmässige Auslastung jedoch positiv und geniesse das Leben mit allen Facetten. Sicherlich habe ich Ziele wie jeder andere auch. Zuweilen sind sie vielleicht sogar noch etwas ambitionierter als von Personen, welche davon ausgehen, alle Zeit der Welt zu haben (das ist übrigens bei niemandem der Fall). Ob diese nun privater oder beruflicher Natur sind, oder Weiterbildungen betreffen, ich gestalte diese jeweils, ohne meine Diagnose einzurechnen. Sonst wäre ich dauernd mit der «Handbremse» unterwegs und würde sicherlich eines Tages vieles bereuen das ich gerne angegangen wäre.
Was ist deine Lebensphilosophie? Wie hältst du das Rad am Drehen?
Ich lebe im Grunde Tag für Tag. Gross vorausschauen ist nicht angesagt, ausser natürlich bezüglich meiner Ziele. Es gibt jedoch viele Faktoren, welche sich immer wieder verändern. Ob dies nun seitens der Kinder, der Gesundheit, im Beruf oder in Form von anderen speziellen Umständen kommt. Es gilt jeweils spontan bestmöglich darauf zu reagieren. Ich befasse mich daher in erster Linie nur mit den notwendigen Themen puncto der MS, als da wären Arztbesuche zwecks Kontrollen (Hausarzt, Neurologe, Augenarzt), oder vielleicht ab und an mal ein interessanter Bericht mit neuen Behandlungsformen und Erfahrungsberichte anderer «MS-ler» in ähnlichen Situationen. Auf diese Weise verhindere ich das klassische «verkopfen».
Schränkt dich deine Krankheit ein? Wenn ja, wie?
Am meisten nerven die Müdigkeitsattacken der «Fatigue», eine der häufigsten Symptome bei der MS. Die dabei beinahe überwältigende, plötzliche Müdigkeit kann einfach den falschen Zeitpunkt erwischen (Autofahren, Sitzungen/Besprechungen). Im Sommer, in heissen Phasen, merke ich ausserdem die markant schwindende Konzentration, oder auch mal etwas gehäufte Gangunsicherheiten.
Du bist verheiratet und hast drei Kinder. Wie kommen sie mit deiner Krankheit zurecht?
Dadurch, dass ich die Krankheit nicht an die «grosse Glocke hänge», habe ich nicht das Gefühl, dass sie sich gross eingeschränkt, oder mit dem Thema in Verbindung fühlen. Dass ein arbeitender Familienvater am Wochenende vielleicht nicht beide Tage auf grosse Fahrt gehen mag, kommt wohl auch bei Personen ohne Diagnose vor. Natürlich kann es eines Tages anders aussehen, wie gesagt, befasse ich mich hiermit nicht im grossen Stil.
Wie fühlst du dich heute?
Heute geht es mir gut. in der Regel ist dies stark abhängig vom Schlaf der letzten Nacht, aber wem geht es nicht so.
*Name wurde auf Wunsch abgeändert