Ich will reisen, aber meine Kinder nicht
Bild/Illu/Video: Milena Rominger

Ich will reisen, aber meine Kinder nicht

«Wenn ich sehe, dass andere Familien samt Kindern jahrelange Weltreisen unternehmen, diese Erlebnisse auf Youtube teilen und somit auch noch Geld verdienen um weiterreisen zu können, würde ich es ihnen am liebsten gleichtun», sagt Cornelia zu mir, bei einem Treffen mit unseren Kindern.  


«Der zweite Gedanke, der dann sogleich im Anschluss folgt ist der, dass ich mein Leben verfilmt niemals mit der Öffentlichkeit teilen wollen würde. Youtube fällt also weg. Instagram sowieso. Ich als Hinterwäldlerin in Sachen Social Media wäre ein Banause was das Geld verdienen online angeht. Bliebe für mich nur noch das Reisen mit dem Ersparten.»


Zugegeben; hat man einmal Fernweh, wird es wohl ein Leben lang so bleiben. Cornelia kennt das. Nach einer fünf monatigen Reise dachte sie damals, dass sie nun satt sein würde. Falsch gedacht. Sie war zwar ziemlich lange satt, aber nach spätestens zwei Jahren war die Reiselust wieder zurück und sie verzweifelt. Denn Kind Nummer drei kündigte sich an.

«Wie werde ich die nächsten achtzehn Jahre mein Fernweh stillen können?»


Cornelia erzählt mir, dass sie das Familienleben liebt. Obwohl sie sich eigentlich nie wirklich Kinder gewünscht hat, fühlt sie sich in ihrer neuen Rolle als Mama wohl. Sie würde ihr Leben nicht anders haben wollen. Und doch steht da immer diese eine Frage im Raum: Wie sähe mein Leben ohne die Kinder aus?


«Wahrscheinlich wäre ich Reisejournalistin geworden und würde jetzt überall auf der Welt zu Hause sein. Hoffentlich mit meinem Mann.»

Ich frage Cornelia, wie sie sich ihre Zukunft vorstellt. Während die Kinder auf dem Spielplatz herumtoben, die Kurven der langen grünen Rutschbahn schneiden, antwortet sie: «Ich werde wohl die nächsten achtzehn Jahre Kompromisse eingehen. Versteh mich nicht falsch, ich möchte kein anderes Leben, aber das Reisen wird mir fehlen, sobald alle Kinder im Kindergarten und in der Schule sind. Dann sind sie vom System eingeschlossen. Wir können und wollen sie da nicht herauszerren. Sie sollen ihre Freunde täglich sehen und die wertvolle Erfahrung der Verwurzelung in der Heimat machen dürfen. Ich möchte, dass sie mit ihren Grosseltern aufwachsen.»


«Du könntest sie aber auch einfach mitnehmen und jahrelang auf Reisen sein», entgegne ich ihr.


Cornelia schaut mich mit einem sehnsüchtigen Blick an und antwortet: «Ja, das könnte ich. Doch gerade vor ein paar Tagen fragte ich meinen Sohn was er lieber hätte: ein Jahr lang auf Achse zu sein, oder ein Jahr lang den Kindergarten mit all seinen Freunden zu besuchen. Er wollte in den Kindergarten.»


Cornelia blickt zuversichtlich in die Zukunft. «Es ist nicht immer so einfach die eigenen Interessen mit denen der Kinder aufeinander abzustimmen. Wenn man sich dazu entscheidet, Eltern zu werden, entscheidet man sich gleichzeitig dazu, ein anderes, eigenständiges Leben mitzugestalten. Darüber zu entscheiden, was richtig dafür ist. Bis zu dem Zeitpunkt, an dem es selbst entscheiden kann. Mir ist es wichtig, die Bedürfnisse meiner Kinder zu erkennen und diese zu respektieren. Ich kenne niemanden, dem es gefallen hat, aus seiner Heimat wegzuziehen, während er im Kindergarten oder in der Schule mit seinen besten Freunden war.»

Zum Schluss frage ich Cornelia, wie sie ihre Kompromisse gestalten wird.


«Ich werde wohl die langen Sommerferien für Fernreisen nutzen. Sofern das mit Corona wieder möglich sein wird. Meinen Mann werden wir aber nicht immer dabeihaben können, was wiederum ein nächster Kompromiss ist. Er hat nicht die Möglichkeit ortsunabhängig zu arbeiten. Wer weiss, vielleicht schafft er es, seine Überstunden alle auf einmal abzubauen, damit wir gemeinsam eine längere Reise unternehmen können, welche dann hoffentlich wieder für ein- zwei Jahre meine Reiselust befriedigt.»


Leserumfrage:

Wie sähe euer Leben ohne Kinder aus?

Welche Kompromisse müsst ihr mit euren Kindern eingehen?

Schreibt mir: miroshexenhaus@gmx.de

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