Filmtipp: «Die Welle» (2008)
Die Tische werden neu angeordnet. Rainer will von seinen
Schülern für die Dauer der Woche anders als sonst, nämlich als Herr Wenger
angesprochen werden. Ebenso verfügt er, dass nur gesprochen wird, wenn er es
erlaubt. Wer spricht, der muss dazu neuerdings aufstehen.
Der Film behandelt das Thema Autokratie keineswegs mit der möglicherweise erwarteten Trockenheit. Über die Woche hinweg entsteht eine ungeahnte Dynamik. Die Schüler verändern sich. Ausnahmslos alle Schüler in der Klasse machen plötzlich im Unterricht mit. Unheimlich, wenn sich Maulfaule mit einem Mal voll engagieren und mitmachen. Der schulische Taugenichts und Aussenseiter Tim beispielsweise blüht plötzlich auf. Andere verlieren durch die Änderungen der schulischen Rahmenbedingungen mit einem Mal ihre Beliebtheit in der Klasse.
Sie bestimmen gemeinsam, dass sie für die Dauer der Woche alle dieselbe Kleidung, als eine Art Uniform tragen wollen. Als Karo sich widersetzt, lassen die anderen Schüler und der Lehrer sie ihre kaltherzige Distanziertheit spüren. Ganz nach dem Motto, wer nicht mitmacht, gehört nicht dazu. Aber freiwillig war es trotzdem - so wie in jeder Diktatur die Veränderungen zuerst freiwillig von einem Grossteil der Masse mitgemacht wurden.
Während vor der Projektwoche das individualistische Denken und Handeln vorherrschte, entwickelte sich während dieser ein ungewöhnlicher Klassenzusammenhalt. Alle machen mit. Jeder gibt sein Bestes für die Gruppe. Bisherige Gruppen lösen sich auf, neue Cliquen finden zusammen. Und mit einem Mal funktionieren auch die Proben des Schultheaterstücks, da Denis, der die Funktion des Regisseurs innehat, laut wird und sich durchsetzt.
Die Welle erhält einen digitalen Auftritt, Kleber werden gedruckt, Sprayvorlagen zugeschnitten und unzählige Mauern und Wände in der Stadt besprayt. Sie machen nicht einmal halt vor Polizeiwagen, einer Kirche und einem gutbesuchten Restaurant. Sogar die Mädchen machen mit. Es entsteht eine echte Bewegung und ein Gemeinschaftsgefühl. Die Schüler sind nicht mehr nur Schüler, sie werden zu Teilen von etwas Grösserem. Sie werden ein Teil der Welle. Lehrer Wenger hat die Welle nicht mehr unter Kontrolle und um etwas dagegen zu unternehmen, scheint es bereits zu spät zu sein. Doch will der Herr Wenger überhaupt etwas dagegen unternehmen? Noch nie hingen seine Schüler ihm so sehr an den Lippen und noch nie vergötterte ihn eine ganze Klasse dermassen wie diese. Will Wenger alles rückgängig machen oder möchte er aufgehen in seiner neuen Rolle als Führer der Welle?
Der Film verfolgt zwei Handlungsstränge. Der Zuschauer spürt einerseits die Ausgrenzung derer, die nicht mitmachen wollen bei der Welle und andererseits das überwältigende Zugehörigkeitsgefühl bei der Welle dabei zu sein.
Der Film basiert auf einer Kurzgeschichte von William Ron Jones, Regie führte Dennis Gansel, Lehrer Rainer Wenger wurde vom Schauspieler Jürgen Vogel verkörpert.
Der Film die Welle erinnert mich stark an die Ausgrenzung der Ungeimpften während der Massnahmenjahre und die schleichende mediale Blossstellung von Gegnern der Politik. Auch erinnert der Film an das aktuell zunehmende gesellschaftliche Einheitsdenken und Ausblenden unbequemer Meinungen. Dies sind alles zentrale Themen unserer Gegenwart. Der Film zeigt auf, wohin die Gegenwart uns noch führen könnte und lässt aufhorchen.