Clochard
Bild/Illu/Video: Lucas J. Fritz

Clochard

Neben dem Schlafsack besitzt er noch ein Buch, eine Kurbel-Lampe, etwas Kleidung, die am Körper und eine Winterjacke und dicke Socken sowie eine Fuchsfellmütze mit Ohrenklappen aus Russland. Im Sommer wäscht er die Kleidung am Körper alle paar Tage. Da es warm ist, trocknen die Kleider zügig. Im Winter trägt er seine Kleidung oft über Wochen hinweg, ohne dass er sie wäscht. Die Winter sind zu kalt, als dass er seine Kleidung waschen und an der frischen Luft trocknen könnte. Nur selten trifft er eine gütige Seele, die ihn für eine oder zwei Nächte bei sich zuhause auf dem Sofa oder dem Gästebett übernachten lässt und ihm etwas Nahrung und eine Dusche anbietet.


Die allerwenigsten scheinen ein Herz zu besitzen und einen Obdachlosen für einige Tage bei sich aufnehmen zu wollen. Dabei hätten doch diese Menschen, die Zuneigung und Liebe ihrer Mitmenschen am nötigsten. Wohin mit der Scham? Auch auf der Strasse ist es wichtig Hilfe wo möglich zu leisten. Menschen ohne Dach über dem Kopf und ohne zuhause haben es oft schwer. Sie haben zwar andere Sorgen als wir Wohnungsmieter und Hausbesitzer, aber auch sie haben ihre Sorgen und Nöte und diese sind von grundlegend existenzieller Art und nicht Luxusprobleme, wie wir sie haben.


Wie unterscheiden sich die Sorgen zwischen obdachlosen Männern und obdachlosen Frauen? Die Frau hat noch die Sorge der sexuellen Ausbeutung und ihres Schutzes vor Männern zu tragen. Der Mann hat diese Sorge kaum. Es werden kaum Männer vergewaltigt, die Frauen sind es, die dies betrifft. Als Frau auf der Strasse zu sein ist gefährlicher und schwieriger, als wenn man ein Mann ist.


Darus Leben, der Clochard von dem hier die Rede ist, verläuft trotz Winters Kälte und Sommers Hitze meist entspannt und ohne lebensbedrohliche Zwischenfälle. Berücksichtigt er die üblichen Sicherheitsvorkehrungen, so ist sein Leben einfach und ohne Angst. Um sich sicher zu fühlen und um sicher zu sein, verlässt er die Stadt jeweils am Abend und verkriecht sich in die angrenzenden Wäler oder in alte halbeingestürzte und längst verlassene Gebäude. In Wäldern macht er gerne ein Feuer und schläft dann unter freiem Himmel neben der Glut ein. Wenn er zu müde wird ständig seine Lampe anzukurbeln, liest er in seinem Buch im Schein des Feuers.


Für Sozialhilfe ist Daru zu stolz, auch will er bestimmt und bewusst das Leben selbst meistern ohne jegliches Zutun von Behörden und des Staates. Lieber arm, allein aber glücklich und frei als unterstützt, gemeinsam dafür entfremdet und in Abhängigkeit. Daru, der Clochard. Sein Leben ist anders als das der meisten. Das Leben ist zwar nicht einfach, aber dafür abwechslungsreich. Langsam vergehen seine Tage. Langsam und intensiv lebt sich das Leben ohne jeglichen Komfort und Luxus. Würde er drinnen leben, dazu irgendwo regelmässig arbeiten und Geld verdienen und über mehr vermeintlicche Sicherheit als wahre Freiheit verfügen, käme er sich eingesperrt vor.


So bleibt Daru, mit Hab und Gut draussen lebend und frei, dafür arm. Er ist glücklich mit seinem Leben, sein Sein ist selbstbestimmt. Er ist auf die Hilfe anderer angewiesen, dafür darf er seine Zeit frei verwenden und unterliegt nicht einer einengenden Regelmässigkeit. Obdachlosigkeit hat seine Vor- und Nachteile, wie jede andere Lebensweise unter der der Sonne auch. Sie alle braucht es, Verschiedenartigkeit ist es, was die Menschheit ausmacht.  

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